28.03.2017, Kategorie Archiv

BDI-DStV-Veranstaltung zeigt Komplexität einer Anzeigepflicht von Steuergestaltungen auf

Die Anzeigepflicht von Steuergestaltungen – ist sie die Lösung, um künftig Steuersparmodelle zu verhindern? Zumindest hat die Diskussion um eine mögliche Anzeigepflicht vor dem Hintergrund von Cum-Ex Geschäften und weiteren unerwünschten Praktiken wieder an Fahrt aufgenommen. So bestätigte das Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen (MPI) dem Bundesministerium für Finanzen: Eine sanktionsbewährte Anzeigepflicht für Steuergestaltungsmodelle ist verfassungsrechtlich in Deutschland zulässig. Auf dieser Basis befasst sich eine Facharbeitsgruppe von Bund und Ländern mit Überlegungen zu konkreten Maßnahmen. Bis Ende März soll das Gremium der Finanzministerkonferenz berichten, wie eine Anzeigepflicht von Steuergestaltungen verbindlich geregelt werden kann. Anlässlich der hohen Aktualität veranstalteten der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) und der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) am 20.3.2017 eine gut besuchte Diskussionsveranstaltung im Haus der Deutschen Wirtschaft zu diesem Thema. Teilnehmer waren vorwiegend Vertreter aus den Finanzministerien von Bund und Ländern sowie der Berater- und Unternehmerschaft. Als Mitautorin des MPI-Gutachtens führte Dr. Caroline Heber in einem umfassenden Einführungsreferat in die Thematik ein. Nach Ansicht des MPI sollte sich der Anwendungsbereich einer Anzeigepflicht auf solche Gestaltungen beschränken, für die ein besonderes rechtspolitisches Informationsinteresse besteht. Heber stellte unter anderem heraus, dass eine Anzeigepflicht aus europarechtlichen Bedenken nicht nur grenzüberschreitende Sachverhalte in den Blick nehmen kann. Des Weiteren zeige der internationale Vergleich, dass nicht nur Berater, sondern auch – subsidiär – Steuerpflichtige selbst durch eine Anzeigepflicht belastet werden. Andernfalls könne die Anzeigepflicht mittels „inhouse“-Gestaltungen umgangen werden. In der anschließenden von StB Florian Holle (BDI) moderierten Diskussionsrunde mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Praxis offenbarte sich die Schwierigkeit, eine zielgerichtete und gleichsam wirksame Anzeigepflicht auszugestalten. Die Beiträge der Diskutanten unterstrichen zudem eindrücklich die Vielschichtigkeit der Thematik. MdB Dr. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, sprach sich für eine baldige Einführung eines Anzeigepflichtsystems aus. Nur so könne durch den beschleunigten Erkenntnisprozess auf Gestaltungsmodelle zeitnah reagiert werden. Die Anzeigepflicht sei ein notwendiges Mittel, um zu einer fairen Besteuerung zu gelangen. Zudem würde durch ein schnelleres Handeln des Gesetzgebers die Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen steigen und die Gerichte durch eine Reduzierung der Prozesse entlastet. Bei einer ausgewogenen Ausgestaltung der Anzeigepflicht sei der Aufwand für die Praxis überschaubar. MdB WP/StB Fritz Güntzler, CDU/CSU-Fraktion, betonte, dass sehr genau darauf geachtet werden müsse, ob mit einer Anzeigepflicht ihr Ziel – die Identifikation von unerwünschten Steuergestaltungen – erreicht werde. Er sprach sich insofern für Wirkungsanalysen aus. Keinesfalls solle es hier zu einem übereilten Gesetzesbeschluss kommen. Angesichts der vielen Abgrenzungsfragen bei der Bestimmung des anzeigepflichtigen Gegenstands bedürfe es vorher einer intensiven Prüfung. Um bestehende Erkenntnismittel effektiver zu nutzen, könne beispielsweise der inhaltliche Fokus bei Betriebsprüfungen angepasst werden. StB Prof. Dr. Stefan Köhler, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY), sah als Hauptproblem einer Anzeigepflicht, die sogenannten „unerwünschten“ Gestaltungen gesetzlich zu definieren. Eine Definition, die zwar legale aber unerwünschte Gestaltungen treffsicher ausfiltert, scheine schwierig. Mit Blick auf die Praxiskonsequenzen komme ohnehin nur eine Anzeigepflicht unter eng gefassten Parametern in Betracht. Umgehungsreflexe könnten die Norm so jedoch schnell zum Papiertiger werden lassen. Stattdessen solle ein Incentive-System nach australischem Vorbild erwogen werden. Dort können sich Berater und Steuerpflichtige freiwillig von der Finanzverwaltung steuerlich abstrakte Modelle zertifizieren lassen. Die Auskunft bindet die Finanzverwaltung, so dass ein starker Anreiz zur Offenlegung gesetzt wird. Das Problem der Nachjustierung von Anzeigepflichtsystemen, welches sich in anderen Ländern zeigt, griff Univ.-Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut-Schmidt-Universität, auf. Im Rechtsvergleich mit anderen Nationen gebe es keine Regelung, die auf voller Linie überzeuge. Sonst hätte man diese längst einheitlich aufgegriffen. Kaminski warnte daher davor, Regelungen blind zu übernehmen. National identifizierte Kaminski eine weitere Schwachstelle bei den gegenwärtigen Erkenntnisprozessen: Bestehende Informationssysteme würden nicht effektiv genug genutzt. Als Beispiel führte er Betriebsprüfungen an. Diese würden oftmals erst nach Jahren, kurz vor der Festsetzungsverjährung, angeordnet. Er regte an, verstärkt auf die Durchführung von zeitnahen Betriebsprüfungen zu setzen. RAin/StBin Sylvia Mein, Leiterin der DStV-Steuerabteilung, beleuchtete unter anderem einen Verfahrensaspekt: Die Implementierung einer mit spezialisiertem Fachpersonal ausgestatteten Einheit sei notwendige Bedingung für die Einführung eines Anzeigepflichtsystems. In anderen Ländern gebe es entsprechende Stellen, die mit der Auswertung der Informationen betraut sind. Angesichts der demografisch bedingten Personalnöte drohe eine Überbelastung der Finanzverwaltung. In Kombination mit einer möglichen Anzeigenflut berge dies die Gefahr, dass die relevanten Steuergestaltungen nicht zeitnah entdeckt würden. Dies stelle die Wirksamkeit der Pflicht erheblich in Frage. Im Ergebnis scheint der Teufel einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen im Detail zu liegen. Viele Punkte sind derzeit noch nicht geklärt. Unklare Wechselwirkungen zum Steuerstrafrecht sind dafür nur ein Beispiel, welches ebenfalls in der Diskussion als Frage aufgeworfen wurde. Für den DStV nahmen an der gelungenen und informativen Veranstaltung sein Hauptgeschäftsführer RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke, Geschäftsführer Syndikus-RA/StB Norman Peters sowie die Referentin für Steuerrecht Daniela Ebert, LL.M., teil. Der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e.V. war vertreten durch seinen Vizepräsidenten RA/StB Markus Deutsch sowie seinen Geschäftsführer Syndikus-RA/FAfStR LDW Simon Beyme. Für den Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt e.V. nahm sein Hauptgeschäftsführer RA Dr. George Alexander Wolf, LL.M., teil. Stand: 28.3.2017 Lesen Sie hierzu u. a. auch: DStV warnt Bund und Länder vor einer überschießenden Anzeigepflicht von Steuergestaltungen Bundestagswahl 2017: DStV adressiert Handlungsempfehlungen DStV-Stellungnahme 01/17 zum Entwurf der Bundesregierung zum Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz


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