25.01.2018, Kategorie Archiv

Deutscher Finanzgerichtstag 2018

Am 22.1.2018 fand in Köln der 15. Deutsche Finanzgerichtstag, das Forum der Finanzgerichtsbarkeit für die steuerrechtliche und steuerpolitische Fachdiskussion mit Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Anwalt- und Steuerberaterschaft, statt. Er stand diesmal unter dem Motto „100 Jahre Finanzgerichtsbarkeit“. Der Präsident des Finanzgerichts Köln, Benno Scharpenberg, eröffnete in Vertretung des verhinderten Präsidenten des Deutschen Finanzgerichtstages e. V. Richter am BFH Prof. Jürgen Brandt die Tagung und hieß die rund 300 Teilnehmer herzlich willkommen. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen Peter Biesenbach ging in seinem Grußwort auf den internationalen Steuerwettbewerb über Lizenzboxen und Tax Rulings ein, der aufmerksam beobachtet werden müsse. Bezogen auf das Motto der Veranstaltung schilderte der Minister die strukturellen, gerichtsverfassungsrechtlichen Veränderungen, welche die Finanzgerichtsbarkeit seit ihrer Entstehung durchlaufen habe, darunter insbesondere den Justizgewährleistungsanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG. In diesem Zusammenhang kündigte er auch ein von ihm geplantes Gesetz zur Stärkung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität in der Justiz an. Prof. Dr. Rudolf Mellinghof, Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), widmete sein Grußwort ebenfalls dem Motto „100 Jahre Finanzgerichtsbarkeit“. Eine Art Finanzrechtsprechung habe es bereits im Mittelalter gegeben, denn im Jahre 1495 sei beim damaligen Reichskammergericht der sog. Untertanenprozess eingeführt worden, der es Bürgern ermöglichte, Streitigkeiten um die Festsetzung und Erhebung des sog. Gemeinen Pfennigs vor das Gericht zu tragen. Derartige Verfahren hätten seinerzeit, wie historische Quellen belegten, rund 10 % des Arbeitsaufkommens des Gerichts ausgemacht. – Am 26.7.1918 sei das Gesetz über den Reichsfinanzhof (RFH) verkündet worden. Dahinter habe der Gedanke gestanden, Zweifelsfragen im Bereich des reichseinheitlich geltenden Umsatzsteuergesetzes einheitlich und allseits verbindlich auszulegen. Allerdings habe es sich bei dem Reichsfinanzhof seinerzeit noch nicht um ein vollständig unabhängiges Gericht gehandelt. – Das dunkelste Kapitel des Reichsfinanzhofs sei dann im Dritten Reich geschrieben worden. Das Reichsfinanzministerium habe seinerzeit nicht nur dafür gesorgt, dass Hitlers Steuerakten weggeschlossen worden seien, was eine Veranlagung unmöglich gemacht habe, da es angeblich mit seinem Status nicht vereinbar gewesen wäre, dass er Steuern hätte zahlen müssen, vielmehr habe die Behörde auch in heute kaum vorstellbarer Weise in die Abfassung der Urteile des Gerichts eingewirkt. So seien menschenverachtende Unrechtsurteile gegen Menschen jüdischen Glaubens getroffen worden. Außerdem habe der RFH eine unsägliche Rolle in der Benachteiligung und faktischen Enteignung von Kirchen und Klöstern gespielt. Wer heute diese Akten lese, sei erschüttert, wie schnell in einem Unrechtsstaat rechtsstaatliche Garantien verlorengehen. Dies müsse man gerade heute angesichts der Entwicklungen in manchen Ländern wieder verstärkt als Mahnung begreifen. – Selbst in den Anfängen der Bundesrepublik sei die deutsche Finanzgerichtsbarkeit – zuerst unter alliiertem Recht, dann auch unter bundesrepublikanischem Recht – nicht vollständig unabhängig gewesen. Erst mit Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung im Jahre 1965 sei dies erreicht und eine insoweit dem Grundgesetz in jeder Hinsicht entsprechende Gerichtsverfassung verwirklicht worden. Der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes und Präsident des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln, StB/WP Harald Elster, widmete sich in seinem Grußwort aktuellen Themen des Berufstands. Er ging darauf ein, dass der Chaos Computer Club kurz vor Weihnachten erhebliche Sicherheitslücken des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) entdeckt habe, was die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) veranlasst habe, das System vollständig vom Netz zu nehmen. Unter dem Stichwort beSt werde derzeit, so Elster, die Entwicklung eines eigenen elektronischen Postfachs für Steuerberater diskutiert, das einen sicheren Datenaustausch garantieren soll. Elster mahnte dazu, aus den Fehlern beim beA zu lernen und nur absolut sichere, die berufliche Verschwiegenheit wahrende Systeme heranzuziehen. – Mahnend ging Elster sodann auf die ab dem 25.5.2018 geltenden geänderten Anforderungen beim Datenschutz ein. Er appellierte an Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, sich rechtzeitig damit vertraut zu machen und dabei die Mitarbeiter einzubeziehen. Elster legte dar, dass gegenwärtig ein Gemeinsamer Arbeitskreis von DStV und BStBK an besonderen Hilfestellungen zum Datenschutz arbeitet, die dem Berufsstand künftig als Branchenstandard zur Verfügung stehen sollen. – Schließlich ging Elster auf die geplanten Anzeigepflichten für Steuergestaltungen ein, die er einer kritischen Würdigung unterzog. Er betonte, dass es hier um legale Steuergestaltungen gehe und mahnte deshalb, neue gesetzliche Regelungen, wenn überhaupt, nur mit Augenmaß zu verabschieden. In einem Vortrag zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Steuerrechts ging Richterin des Bundesverfassungsgerichts Monika Hermanns auf verfassungsrechtliche Grenzen ein, welche der Gesetzgeber bei der Verabschiedung von Steuerrechtsnormen zu beachten habe. Hierzu zählten neben der grundgesetzlichen Kompetenzordnung (wie bei der Kernbrennstoffsteuer) vor allem auch die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip, während sich völkerrechtliche Verträge – wie etwa in Fällen des Treaty Overridings – nicht immer als verfassungsrechtlich relevantes Hindernis für die nationale Steuergesetzgebung erwiesen. Neben den Freiheitsgrundrechten besitze insbesondere der Gleichheitssatz verfassungsrechtliche Bedeutung im Steuerrecht. In diesem Zusammenhang zeichnete die Referentin den Weg des Gerichts vom allgemeinen Willkürverbot zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung nach, schilderte anhand der Rechtsprechung zur Zinsbesteuerung und zur Pendlerpauschale die Entwicklung des Gebots der Folgerichtigkeit im Steuerrecht und untersuchte anschließend mit Blick auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer und zum Verlustabzug bei Kapitalgesellschaften, ob eine Konvergenz der maßgeblichen Maßstäbe festzustellen sei. Abschließend ging Hermanns noch auf die Bedeutung des Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) für den Vertrauensschutz im Steuerecht ein. Prof. Dr. Juliane Kokott, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, ging sodann auf die Bedeutung der EuGH-Rechtsprechung für das nationale Steuerrecht der EU-Mitgliedstaaten ein. Dabei unterschied sie zwischen der Bedeutung für die direkten Steuern der Mitgliedstaaten, derjenigen für das Umsatzsteuerrecht und derjenigen für das nationale Steuerstrafrecht. Im Bereich der direkten Steuern seien insbesondere die Grundfreiheiten der Europäischen Verträge zu beachten, z. B. im Rahmen der Wegzugsbesteuerung oder bei den Typisierungsbefugnissen des nationalen Gesetzgebers. Daneben beanspruche das europäische Beihilferecht immer stärkere Beachtung. Bei der Umsatzsteuer gehe es vornehmlich um die Geltung der Unionsgrundrechte. Im Bereich des Steuerstrafrechts statuiere das europäische Recht nach der Rechtsprechung des EuGH strafrechtliche Sanktionsverpflichtungen für die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung des europäischen Mehrwertsteuersystems. Um die ökonomischen Auswirkungen von Steuergesetzen ging es in einem anschließenden Vortrag von Prof. Dr. Guido Förster von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dabei bezog sich der Referent auf die finanzwirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen ausgewählter Steuerrechtsnormen. Gesamtwirtschaftlich und unter dem Aspekt des Leistungsfähigkeitsprinzips befasste sich Förster mit § 3c Abs. 2 EStG und appellierte an den Gesetzgeber, diesbezüglich zu einer Neubewertung und Neuregelung zu kommen. Ein weiteres Thema war die Zinsschranke, die ähnlich negativ zu beurteilen sei. Förster mahnte, dass auch der internationale Steuerwettbewerb zu einer neuerlichen Befassung mit den Unternehmenssteuersätzen zwingen werde. Einzelwirtschaftlich betrachtet, ging es Förster vor allem um die Aspekte der Planungssicherheit, z. B. im Bereich der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen, und um die Auswirkungen steuerlicher Normen auf die Organisationsentwicklung von Betrieben, z. B. in Gestalt von Tax Management Systemen. Richter am BFH Prof. Dr. Matthias Loose sprach sodann über Rechtsänderungen im Bereich des Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 173a, 175b AO) und skizzierte zahlreiche, zum Teil neue, von der Rechtsprechung bisher nicht entschiedene Fragestellungen. Um Verluste im Körperschaftsteuerrecht ging es in einem Referat von Dr. Stefan Wilk, Richter am Finanzgericht Köln. Er widmete sich aktuellen Fragestellungen im Zusammenhang mit § 8c KStG. Aktuelle Streitfragen im Spannungsverhältnis von Steuer- und Insolvenzrecht behandelte Prof. Dr. Marcel Krumm, Richter am Finanzgericht Münster, während Dr. Jens Reddig, derzeit noch Richter am Finanzgericht Münster, aber schon gewählt zum Richter am BFH, über aktuelle ertragsteuerliche Entwicklungen im Bereich der Unternehmensnachfolge berichtete. Aus den Reihen des DStV und seiner Mitgliedsverbände nahmen zahlreiche Mitglieder der Präsidien von DStV und DStI sowie der Hauptgeschäftsführer und der Geschäftsführer des DStV an der Veranstaltung teil, außerdem Präsidenten, Präsidiumsmitglieder und Geschäftsführer / Hauptgeschäftsführer der Verbände Bayern, Düsseldorf, Hamburg, Köln, Niedersachen/Sachsen-Anhalt und Westfalen-Lippe. Stand: 25.1.2018


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