30.05.2016, Kategorie Archiv Berufsrecht

DStV bei Fachtagung zum Recht der freien Berufe

Am 20.5.2016 fand in Berlin eine Fachtagung des Instituts für Marktordnungs- und Berufsrecht e.V. (IMBR) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg statt, die sich mit aktuellen Entwicklungen im Bereich der reglementierten freien Berufe auf deutscher und europäischer Ebene befasste. Unter der Überschrift „Deregulierungsforderungen und Regulierungsbedürfnisse“ standen u.a. die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Fragen der möglichen Neuordnung der Berufsgerichtsbarkeiten sowie die Deregulierungsforderungen der EU-Kommission auf der Tagesordnung. Nach einer Einführung in die Thematik durch den Vorsitzenden des Instituts, Prof. Dr. Winfried Kluth, stellte Prof. Dr. Reinhard Gaier, Richter am BVerfG, die aktuelle Rechtsprechung zum anwaltlichen Berufsrecht vor und erläuterte anschaulich die Entscheidung des BVerfG vom 12.1.2016 (Az. 1 BvL 6/13, Stbg. 2016, 136 ff.), mit der das Gericht feststellte, dass das geltende Sozietätsverbot nach § 59a Abs. 1 S. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt. Bereits aus Gründen des Allgemeinwohls gebiete es Art. 12 Grundgesetz (GG), Rechtsanwälten in Zukunft zu gestatten, sich nicht nur mit Angehörigen der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe, sondern auch mit Ärzten und Apothekern zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung zusammenzuschließen. Dies gelte aufgrund des zu entscheidenden Sachverhalts zunächst nur für die beantragte Partnerschaftsgesellschaft. Er betonte jedoch, dass sich aus dem Beschluss keinesfalls ergebe, warum dies nicht in gleicher Weise auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder die GmbH gelten soll. Das anwaltliche Berufsrecht sei zumindest für die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern in diesem Punkt nicht mehr zeitgemäß. Es bestehe eine Notwendigkeit für Rechtsanwälte, mit anderen Berufen auch in gesellschaftsrechtlicher Form zusammenzuarbeiten: Dabei betonte Prof. Dr. Gaier, dass die zunehmende Komplexität moderner Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse zur Folge habe, dass Rechtsfragen oft nicht ohne professionellen Sachverstand aus anderen Berufen ausreichend beantwortet werden können und die Nachfrage nach kombinierten interprofessionellen Dienstleistungen wächst. Ein an der Tagung teilnehmender Rechtsanwalt erläuterte dies, indem er auf Arzthaftungs- und Medikamentenzulassungsverfahren verwies. Prof. Dr. Kluth betrachtete dann die neuere Rechtsprechung des EuGH zu den reglementierten Berufen. Dabei stellte er u.a. anhand der Entscheidung vom 17.12.2015 (Az. C-342/14, Stbg. 2016, 88 ff.) dar, dass die bisherige deutsche Regelung, nach der Steuerberatungsgesellschaften aus einem EU-Mitgliedstaat, die Dienstleitungen über die Grenze hinweg in Deutschland erbringen wollen, von einem geprüften Steuerberater geführt werden müssen, gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt. Nach Ansicht des EuGH müssen im Fall der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen vielmehr die Qualifikationen, die Gesellschaften oder für diese tätige natürliche Personen in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben, auch in Deutschland ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt werden. Der EuGH habe dazu festgestellt, dass es aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, insbesondere mit Blick auf den Verbraucherschutz und zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen gerechtfertigt sei, dass Steuerberater ihre Qualifikation gegenüber dem Mitgliedstaat, in dem sie tätig werden wollen, nachweisen müssen. Zwar dürfen Steuerberatungsgesellschaften künftig auch dann, wenn sie keinen Sitz in Deutschland haben, Steuererklärungen erstellen und bei den deutschen Finanzämtern einreichen. Die in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Qualifikationen müssen dabei aber nachgewiesen sein sowie in Deutschland ihrem Wert entsprechend anerkannt und angemessen berücksichtigt werden. Insoweit werde eine lediglich punktuelle Anpassung des deutschen Berufsrechts erfolgen müssen. In einem weiteren Themenkomplex gaben sodann der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Rennert und Prof. Dr. Matthias Kilian von der Universität Köln einen Überblick über die derzeit uneinheitliche Struktur der Berufsgerichtsbarkeiten in Deutschland. Prof. Dr. Rennert knüpfte daran konkrete Reformvorschläge an und sprach sich für eine einheitliche Berufsgerichtsbarkeit aus, die bei den Verwaltungsgerichten angesiedelt sein sollte und bei der die Berufsrichter in den einzelnen Spruchkörpern die Mehrheit haben sollten. Prof. Dr. Kilian verwies in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage unter Rechtsanwälten, bei der sich nur knapp die Hälfte der Befragten für eine Beibehaltung des Status quo ausgesprochen habe. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich werde zu beobachten sein. In einem dritten Themenkomplex stellte Dr. Dirk Michel von der Universität Köln die derzeitigen Deregulierungsbestrebungen der EU-Kommission in Bereich der freien Berufe vor. Im Rahmen ihrer neuen Binnenmarktstrategie verfolge die EU-Kommission u.a. das Ziel, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen künftig im Rahmen gegenseitiger Evaluationen bewerten sollen, um auf diesem Wege entsprechenden Reformbedarf zu ermitteln. Mit Blick auf das im vergangenen Jahr gegen Deutschland eröffnete Vertragsverletzungsverfahren zu den Mindestgebühren sei festzustellen, dass hinsichtlich der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) aufgrund der dort vorgesehenen Anpassungen eine Erledigung des Vertragsverletzungsverfahrens signalisiert wurde. Demgegenüber werde es in Bezug auf die Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) zu einer Weiterführung des Verfahrens beim EuGH kommen. Hier bleibe die weitere Entwicklung abzuwarten. Als Ergebnis der anschließenden Podiumsdiskussion, an der RA Prof. Dr. Wolfgang Ewer (Bundesverband der freien Berufe – BFB), Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer (Bucerius Law School, Hamburg) und Dr. Birgit Kurz (Institut für freie Berufe an der Universität Erlangen-Nürnberg) teilnahmen, war festzuhalten, dass das beschriebene System der gegenseitigen Evaluation aus deutscher Sicht durchaus kritisch betrachtet werden muss. Bereits aufgrund der unterschiedlichen historischen Entwicklung einzelner Berufsbilder in den jeweiligen Mitgliedstaaten dürfte es schwierig sein, ohne weiteres gemeinsame verbindliche Analyseraster festzulegen. Kritisch zu hinterfragen sei auch, ob das von der EU-Kommission vertretene ökonomische Modell, wonach Deregulierungen stets zu entsprechendem Wirtschaftswachstum führen, tatsächlich plausibel und belastbar sei. Deregulierung sei für die deutschen freien Berufe kein Fremdwort. So seien etwa die Regelungen zu den Werbeverboten weitgehend liberalisiert worden. Für die Zukunft werde es aber wichtig sein, insbesondere die besondere Qualität der freiberuflichen Dienstleistungen und den Verbraucherschutzgedanken zu betonen. Vor diesem Hintergrund müsse auch Bestrebungen etwa nach einer Lockerung der Fremdbeteiligungsverbote entgegengetreten werden. Der DStV war auf der Tagung durch seinen Hautgeschäftsführer, RA FAStR Prof. Dr. Axel Pestke, den Europareferenten StB René Bittner sowie den Berufsrechtsreferenten RA Christian Michel vertreten. Stand: 26.5.2016


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