Entscheidung beim Notifizierungsverfahren vertagt!
Aktuell finden zwischen dem Rat, dem Europaparlament und der EU-Kommission Trilogverhandlungen über den Richtlinienentwurf zur Reform des Notifizierungsverfahrens statt. In den Verhandlungen ist unter anderem die Frage umstritten, ob die EU-Kommission die Möglichkeit erhalten soll, verbindliche Beschlüsse an die Mitgliedstaaten zu richten, mit denen sie diesen vorschreiben kann, vom Erlass einer gesetzlichen Maßnahme im Bereich des Berufsrechts Abstand zu nehmen oder, falls der Mitgliedstaat die Maßnahme bereits erlassen haben sollte, sie aufzuheben. (vgl. TB zum Notifizierungsverfahren vom 16.11.2017) Obwohl sich zu Beginn des Jahres der Rat und das Europaparlament in ihren generellen Ausrichtungen zu den wesentlichen Aspekten des Richtlinienentwurfs, u.a. über die Einführung des Beschlussrechts, einig zu sein schienen, kam in den letzten Monaten nochmals Bewegung in die Trilogverhandlungen. Auslöser dafür war vor allem ein durch die Bundesregierung erfragtes Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates. Mit der Anfrage wollte die Bundesregierung abschließend geklärt haben, ob das im Richtlinienentwurf vorgesehene Beschlussrecht für die EU-Kommission mit dem Primärrecht und der Kompetenzordnung der EU vereinbar sei. In einer ersten Antwort stellte der Juristische Dienst zwar fest, dass das Beschlussrecht grundsätzlich mit dem Primärrecht der EU vereinbar sei, wies gleichzeitig aber darauf hin, dass im Zweifelsfall der Europäische Gerichtshof (EuGH) das letzte Wort haben müsse. Der EuGH sei die einzige Instanz der Union, welche die Befugnis habe, über die Vereinbarkeit einer geltenden nationalen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht zu entscheiden. Somit stellte sich im Nachklang des Gutachtens die Frage des Mehrwerts eines Beschlusses durch die EU-Kommission im Rahmen des Notifizierungsverfahrens, wenn bei unterschiedlicher Auffassung von EU-Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat (sollte dieser der EU-Kommission nicht Folge leisten), die einzige Folge eines Beschlusses die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission wäre. Auf diesen Widerspruch bezugnehmend hatten sich der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) und die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) nochmals in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 11.6.2018 (E 12/18) und in persönlichen Gesprächen an das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi), die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Brüssel sowie an Abgeordnete in Brüssel gewandt und nachdrücklich auf die Bedenken und Kritiken zum Beschlussrecht hingewiesen. Dabei forderten DStV und BStBK eine Abkehr von einem verbindlichen Beschlussrecht, hin zu einer Empfehlung für die EU-Kommission. Zum einen würde dies Klarheit hinsichtlich der stark kritisierten Umkehr der Darlegungs- und Beweislast schaffen, eine Systemwidrigkeit in der Anwendung und Durchsetzung europäischer Rechtsakte vermeiden und langfristigen Rechtsstreitigkeiten über Verfahrensfragen vorbeugen. Im Gegenzug würde die Rolle der EU-Kommission gegenüber dem bestehenden Notifizierungsverfahren dennoch gestärkt werden, da die dem Mitgliedstaat übermittelte Empfehlung dem EuGH als Grundlage für eine Überprüfung der nationalen Norm in einem Vertragsverletzungsverfahren dienen könne. Aus Sicht des DStV und der BStBK war es daher erfreulich, dass die Bundesregierung ihrerseits die Frage des Mehrwerts des Beschlussrechts bei ausbleibender Rechtswirkung geklärt wissen wollte und Anfang Juni eine weitere Klarstellung durch den Juristischen Dienst des Rates beantragte. In seiner Klarstellung stellte der Juristische Dienst dann unmissverständlich fest, dass der EuGH die einzige Instanz der Union sei, welche die Befugnis habe, über die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Europarecht zu entscheiden. Das im Richtlinienentwurf enthaltene Beschlussrecht könne lediglich dazu dienen, rechtliche Bedenken der EU-Kommission gegen eine nationale Maßnahme zu erläutern, um so zukünftige Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden.
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