01.02.2019, Kategorie Archiv

Entwurf der Erbschaftsteuerrichtlinien: von alten und neuen Problemen

Die Bescherung kam letztes Jahr früher als erwartet: Am 20.12.2018 hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) die lang ersehnten einheitlichen Erbschaft- und Schenkungsteuerrichtlinien 2019 (ErbStR 2019) in einer Entwurfsfassung veröffentlicht. Die Finanzverwaltung hat diverse Erlasse eingearbeitet. Der Fokus lag aus Sicht der Praxis jedoch auf den Ausführungen zu den im Zuge der Erbschaftsteuerreform 2016 geänderten Regelungen. Dass der Entwurf der ErbStR 2019 nicht allen drängenden Praxisproblemen Rechnung tragen kann, mag bisweilen dem Gesetzeswortlaut des ErbStG geschuldet sein. Allerdings wirft er bedauerlicherweise zusätzliche Probleme auf. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat daher in seiner Stellungnahme S 01/19 auf drängenden gesetzlichen und untergesetzlichen Anpassungsbedarf hingewiesen. Folgende Punkte wurden u.a. adressiert: 90 %-Test führt zu unsachgemäßen Ergebnissen Um überhaupt von erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtlichen Begünstigungen zu profitieren, darf das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu 90 % oder mehr aus Verwaltungsvermögen bestehen (90 %-Test). Bei der Ermittlung der Quote werden jedoch zu viele Faktoren ausgeblendet. So findet beispielsweise bei den Finanzmitteln keine Schuldenverrechnung statt. Die derzeitige Berechnungsmethode führt dazu, dass in der Praxis Begünstigungen verwehrt bleiben, wenn der Betrieb zum Steuerentstehungszeitpunkt etwa hohe Forderungsbestände ausweist. Insbesondere Handelsunternehmen dürften darunter leiden. Die in diesen Fällen entstehende ungünstige Kapitalstruktur würde jeglicher Begünstigung im Weg stehen. Das Unternehmen müsste im Erb- bzw. Schenkungsfall voll besteuert werden. Dies ist aus Sicht des DStV nicht hinnehmbar. Fallbeileffekt des 90 %-Tests verfassungsrechtlich bedenklich Abgesehen von unsachgemäßen Ergebnissen ist der 90 %-Test aus einem weiteren Grund abzulehnen. Seine unzweifelhafte Fallbeilwirkung scheint aus Sicht des DStV im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 (1 BvL 21/12) verfassungsrechtlich zweifelhaft. Zwar versucht der Gesetzgeber die Norm zu rechtfertigen, weil sie Gestaltungsmöglichkeiten ausräumen soll, die verfassungswidrig sein könnten. Die Begründung des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/8911, S. 40) ist jedoch aus Sicht des DStV nicht spezifisch genug. Sie lässt nicht erkennen, welche Gestaltungen als missbräuchlich zu erachten sind und demnach den 90 %-Test rechtfertigen könnten. Soweit etwa Finanzmittel die 15 %-Grenze übersteigen, werden sie ohnehin als schädliches Verwaltungsvermögen eingestuft und einer vollständigen Besteuerung unterworfen. Auch andere Vermögensgegenstände sind, soweit sie als Verwaltungsvermögen eingestuft werden, komplett zu besteuern. Eine generelle Versagung der Verschonung für begünstigungsfähiges Vermögen von bis zu 10 % erscheint weder gerechtfertigt noch folgerichtig. Der DStV regt aufgrund der rechtssystematischen Widersprüche und der oben beschriebenen Praxisauswirkungen an, den 90 %-Test gesetzgeberisch zu streichen. Sollte den verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gefolgt werden, müsste aus Sicht des DStV zumindest eine Nettobetrachtung bei der Ermittlung der 90 %-Grenze erfolgen. Einstufung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen als schädliches Verwaltungsvermögen inadäquat Der Entwurf der Richtlinie bestimmt, dass zu den Zahlungsmitteln unter anderem die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zählen. Mit dieser Vorgabe folgt der Entwurf den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10.10.2013 (BStBl I 2013, S. 1272). In der Praxis führt diese Klassifizierung bei Unternehmen mit einem hohen Bestand von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu erheblichen Verwerfungen. Trotz des 15 %-Freibetrags und der Abzugsmöglichkeit des gemeinen Werts der Schulden kann es vorkommen, dass Forderungen aus Lieferungen und Leistungen als vollständig zu besteuerndes Verwaltungsvermögen einzuordnen sind. Dieser Belastungseffekt erscheint nach dem Zweck der neuen Regelungen zum Verwaltungsvermögen – der Herausfilterung von für nicht verschonungswürdig gehaltenem Vermögen – sinnwidrig. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind ausschließlich betrieblich veranlasst und zählen daher ertragsteuerlich zum notwendigen Betriebsvermögen. Private Gründe sind bei dieser Art von Forderungen nicht erkennbar. Insofern ist ein Verdacht auf missbräuchliche Gestaltungen und damit die Qualifizierung dieser Forderungen als schädliches Vermögen nicht zu rechtfertigen. Der DStV rät daher dringend, die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus der Aufzählung in der Richtlinie zur Bestimmung der Finanzmittel zu streichen. Folgen des Brexits nicht ausreichend berücksichtigt Der steuerliche Verschonungsabschlag für begünstigtes Vermögen knüpft an verschiedene Voraussetzungen. Dazu zählt die Einhaltung der Mindestlohnsumme. Der Richtlinienentwurf enthält bedauerlicherweise keine Ausführungen, welche Folgewirkungen sich etwa in diesem Zusammenhang durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“) ergeben. Es wäre aus Sicht des DStV falsch, britische Tochtergesellschaften im ersten Schritt bei der Ermittlung der Ausgangslohnsumme zu berücksichtigen, sie jedoch im zweiten Schritt nach einem Brexit bei der Berechnung der jährlichen Lohnsumme außen vor zu lassen. Dies würde dazu führen, dass die inländischen Lohnsummen im Ergebnis stärker steigen müssten als die gesetzlich vorgeschriebenen 400 % oder 700 %, um die Mindestlohnsumme zu erreichen. Ebenso erscheint eine rückwirkende Kürzung der Ausgangslohnsumme nicht zweckmäßig. Sie könnte sich insbesondere in den Fällen nachteilig auswirken, in denen die Lohnsummen englischer Tochtergesellschaften stärker steigen als die des inländischen Betriebs. Mit der rückwirkenden Kürzung der Ausgangslohnsumme würde einem Unternehmer die Möglichkeit genommen, frühzeitig Einfluss auf die notwendige Lohnentwicklung im Inland zu nehmen. Der DStV regt bis zur Einführung einer gesetzlichen Regelung der Übergangsprobleme des Brexits hilfsweise eine entsprechende Richtlinienanpassung an. Restriktive Verwaltungsauffassung bei Vermögensumschichtungen überzeugt nicht Sog. junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen sind stets vollständig erbschaft-/schenkungsteuerpflichtig. Sie entstehen durch einen Einlageüberhang von Finanzmitteln bzw. durch Zuführung von Gegenständen des Verwaltungsvermögens innerhalb von zwei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt. Im Richtlinienentwurf wird der Standpunkt vertreten, dass auch Umschichtungen zwischen verbundenen Unternehmen diese begründen können. Überträgt beispielsweise eine Muttergesellschaft ein fremdvermietetes Grundstück auf ihre Tochtergesellschaft im Jahr vor der Erbschaft, liegt nach Auffassung der Finanzverwaltung junges Verwaltungsvermögen bei der Tochtergesellschaft vor. Das Problem betrifft insofern nicht nur große Konzerne, sondern bereits einstöckige Strukturen. Diese Auffassung widerspricht nach Ansicht des DStV dem Leitgedanken der Verbundvermögensaufstellung, wonach der Verbund für Zwecke der Ermittlung des Verwaltungsvermögens als Einheit zu betrachten ist. Bei der Verbundvermögensaufstellung einerseits eine Einheit zu fingieren, zugleich aber bei Umschichtungen die Verbundbetrachtung zu ignorieren, überzeugt rechtssystematisch nicht. Dies kann zu einem Lock-in-Effekt führen: Betriebswirtschaftlich notwendige und sinnvolle Vermögensumschichtungen werden unterlassen, weil die Sorge besteht, dass im Erbfall junge Finanzmittel bzw. junges Verwaltungsvermögen vorliegt. Der DStV hat deshalb nachdrücklich eine Verwerfung dieser Verwaltungsauffassung gefordert. Stand: 1.2.2019 Lesen Sie hierzu auch die umfassende DStV-Themenseite: Erbschaftsteuerreform: Was – Wie – Warum?


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