23.01.2017, Kategorie Archiv Europa

Erste Einschätzung des DStV zum Dienstleistungspaket der EU-Kommission, insbesondere der Vorschläge zur Einführung einer Dienstleistungskarte

Sehr geehrter Herr Garrecht, wir bedanken uns für die Möglichkeit, unsere erste Einschätzung zum am 10.1.2017 von der EU-Kommission veröffentlichen Dienstleistungspaket und zu den Vorschlägen zur Einführung einer Dienstleistungskarte abzugeben. Allgemeine Einschätzung Das Dienstleistungspaket besteht aus drei Legislativmaßnahmen: Einführung einer Dienstleistungskarte, Verhältnismäßigkeitstest für berufliche Regulierung und Einführung eines Notifizierungsverfahrens) sowie einer Empfehlung zum Reformbedarf der Berufsregulierung in den Mitgliedsstaaten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden unseres Erachtens die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten unzulässig einschränken und verstoßen teilweise gegen das Subsidiaritätsprinzip. Der Europäischen Kommission würde im Bereich der Berufsregulierung eine Quasi-Gesetzgebungskompetenz verliehen, indem sie die Befugnis erhielte, Rechtsetzungsvorhaben in den Mitgliedsstaaten zu verhindern. Der Richtlinienentwurf zum Notifizierungsverfahren ist daher vollständig, die weiteren Gesetzesentwürfe in ihrer jetzigen Form abzulehnen. ? Unterstützung der Positionen des Bundesverbands Freier Berufe (BFB) Wir unterstützen die vom BFB angebrachten Punkte uneingeschränkt. Insbesondere betrifft dies die Kritik an der Genehmigungsfiktion bei Fristüberschreitung durch den Aufnahmestaat beim Antragsverfahren für die Erteilung einer Dienstleistungskarte. Darüber hinaus möchten wir zu den Legislativvorschlägen COM(2016) 823 (Richtlinie für das gesetzliche und operationelle Rahmenwerk zur Einführung einer Dienstleistungskarte; RL-E) und COM(2016) 824 (Verordnung zur Einführung einer Dienstleistungskarte, VO-E) folgende Anmerkungen machen: Art. 13 Nr. 1 Abs. 1 S.3 RL-E – Begründung der Ablehnung der Ausstellung einer Dienstleistungskarte Art. 13 Nr. 1 Abs. 1 S.3 RL-E sieht im Falle der Ablehnung der Ausstellung einer Dienstleistungskarte durch den Aufnahmestaat vor, dass dieser die zugrundeliegenden Regulierungen begründen muss. Die Begründung muss nach dem vorliegenden Entwurf auch die Darlegung enthalten, weshalb die Regulierung zur Erreichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses notwendig und verhältnismäßig ist. Nach Ansicht des DStV kann der Aufnahmestaat nicht gegenüber dem Dienstleister verpflichtet sein, eine Verhältnismäßigkeitsanalyse durchzuführen und darzulegen. Ebenso ist unklar, ob die Mitteilung über die Verhältnismäßigkeit in die Frist gem. Art. 13 Nr. 6 RL-E einzubeziehen ist und eine nicht oder unzureichend begründete Mitteilung zu einem Fristablauf und der automatischen Ausgabe der Dienstleistungskarte führen kann. Art. 4 Nr. 1 Bst. g i.V.m. Art 5 VO-E – Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung Art. 4 Nr. 1 Bst. g i.V.m. Art 5 VO-E regelt den Nachweis der Berufsschadens-haftpflichtversicherung. Unklar ist unseres Erachtens, wie in der Praxis eine Vergleichbarkeit der Versicherungen in den Mitgliedsstaaten erreicht werden soll. Derzeit bestehen in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Modelle der Berufshaftung, die durch die Versicherungen reguliert werden. Beispielsweise bedarf es in Deutschland einer Kausalität zwischen Beratungsfehler und Schaden, sowie den Eintritt eines tatsächlichen Vermögensschadens beim Mandanten, um eine Haftung des Steuerberaters zu begründen. Sollten die Bedingungen in anderen Mitgliedsstaaten unterschiedlich sein, sind auch die Versicherungspolicen nicht vergleichbar und es bedarf im Sinne des Verbraucherschutzes einer tiefergehenden Analyse. Eine automatische Anerkennung könnte in diesem Fall nicht stattfinden. Art 8 und 9 VO-E – Rechtssicherheit von Dokumenten und Identitätsprüfungen Art. 8 Abs. 1 S. 1 VO-E verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, das Antragsverfahren vollständig elektronisch anzubieten. Da, insbesondere bei vorübergehender oder gelegentlicher Dienstleistungserbringung, die Verwaltungsverfahren des Heimatstaates anzuwenden sind, könnten bei den Dienstleistern unterschiedliche Maßstäbe an den Nachweis von Voraussetzungen gestellt werden. Zum Beispiel könnte eine Identitätsprüfung oder die (in Deutschland teilweise vorgeschriebene) Beglaubigung von Dokumenten im Heimatstaat nicht vorgesehen sein. Bei Ausstellung der Dienstleistungskarte auf dieser Datenbasis müsste die Dienstleistungskarte jedoch uneingeschränkt vom Aufnahmestaat akzeptiert werden. Die in einem Staat niedergelassenen Dienstleister würden im Vergleich zu den vorrübergehend oder gelegentlich tätigen Dienstleistern unterschiedlichen Nachweispflichten unterliegen. Mit freundlichen Grüßen gez. RA FAStR Prof. Dr. Axel Pestke (Hauptgeschäftsführer) gez. StB Dipl.-Kfm. René Bittner (Referent Europarecht) _________________________________________ Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) – Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe – repräsentiert bundesweit rund 36.500 und damit über 60 % der selbstständig in eigener Kanzlei tätigen Berufsangehörigen, von denen eine Vielzahl zugleich Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer sind. Der DStV vertritt ihre Interessen im Berufsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, im Steuerrecht, in der Rechnungslegung und im Prüfungswesen. Die Berufsangehörigen sind als Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Berufsgesellschaften in den ihm angehörenden 16 regionalen Mitgliedsverbänden freiwillig zusammengeschlossen.

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