25.02.2015, Kategorie Archiv

Mindestlohngesetz – Ergänzende Überlegungen zu einem möglichen Anpassungsbedarf

Bundesministerium für Arbeit und Soziales Herrn Staatssekretär Thorben Albrecht Wilhelmstraße 49 10117 Berlin Sehr geehrter Herr Staatssekretär Albrecht, ergänzend zu unserem Schreiben vom 13.02.2015, in dem wir bereits auf die Themen – besondere Aufzeichnungspflichten nach § 17 MiLoG, – Zwölftelungsregelung bei Weihnachts- und Urlaubsgeld, – Auftraggeberhaftung i.S.e. Generalunternehmerhaftung, – arbeitsvertragliche Verfall- und Ausschlussklauseln, – drohender Arbeitsplatzverlust bei Aufstockern sowie – berufs- und haftungsrechtliche Gefahren für die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe eingegangen waren, haben wir aus dem Kreis der in unseren Mitgliedsverbänden organisierten Berufsangehörigen weitere Rückmeldungen aus der Praxis erhalten, die aus Sicht der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe im Rahmen der gegenwärtigen Überlegungen zu möglichen Anpassungen im Bereich des Mindestlohngesetzes unter Praktikabilitätsgesichtspunkten geprüft werden sollten. Diese wollen wir Ihnen nachfolgend gerne darstellen: 1. Regelungen bezüglich Praktikumsverhältnissen Nach der gesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 MiLoG sind nur solche Praktika, die begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung abgeleistet werden, für eine Dauer von bis zu drei Monaten von der Anwendung des gesetzlichen Mindestlohns ausgenommen, wenn nicht zuvor bereits ein Praktikumsverhältnis mit demselben Auszubildenden bestanden hat. Nach dem Gesetzeswortlaut würde dies bedeuten, dass für einen Praktikanten, der beispielsweise bei demselben Unternehmen zunächst in den Sommerferien ein Praktikum von sechs Wochen absolviert hat und dies sodann in den Winterferien fortsetzen möchte, der Mindestlohn zu zahlen wäre, weil ja bereits in den Sommermonaten ein Praktikumsverhältnis mit demselben Unternehmen bestanden hat. Demgegenüber wäre für einen anderen Praktikanten, der durchgängig sogleich ein dreimonatiges Praktikum in diesem Unternehmen abgeleistet hat, der Mindestlohn nicht zu zahlen. Insoweit sollte hier unseres Erachtens eine gesetzliche Klarstellung erfolgen, dass die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns unabhängig von einer zeitlichen Stückelung der Praktikumszeit erst entsteht, wenn der Zeitraum von drei Monaten überschritten wird. 2. Ehrenamtliche Tätigkeiten Der Presse war am 24.2.2015 zu entnehmen, dass eine Klarstellung durch das Ministerium gegenüber Sportvereinen dahingehend erfolgt sei, ihren Sportlern im Amateurbereich keinen gesetzlichen Mindestlohn zahlen zu müssen. Hinsichtlich der weiteren ehrenamtlich in den Sportvereinen Tätigen wie beispielsweise Übungsleitern etc. sollen die Vereine ebenfalls keinen Mindestlohn bezahlen müssen, wenn diese für ihr rein ehrenamtliches Engagement eine Aufwandsentschädigung außerhalb eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses erhalten. Diese Regelung ist im Interesse der Gewährleistung eines funktionierenden Vereinslebens ausdrücklich zu begrüßen. Wir geben in diesem Zusammenhang jedoch zu bedenken, dass diese Thematik nicht allein den Bereich des Sports betrifft. Gerade auch die Vereinsarbeit im kulturellen oder sozialen Bereich ist in Deutschland ohne das ausgeprägte ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder undenkbar, wenn man etwa an die Betreuung dementer Patienten in Pflegeeinrichtungen oder die Begleitung Sterbender in Hospizen außerhalb der rein medizinischen oder pflegerischen Versorgung denkt. Insoweit regt der DStV an, hier ebenfalls für eine entsprechende Klarstellung zu sorgen und dies in einer gesetzlichen Regelung zu verankern. 3. Berechnung des Mindestlohns Derzeit informiert das Ministerium, dass bei Gehaltsempfängern der gesetzliche Mindestlohn im Jahresdurchschnitt erreicht werden müsse. Dies soll jedenfalls für Arbeitszeitabweichungen aufgrund der unterschiedlichen Anzahl von Arbeitstagen je Monat gelten. Mindestlohnansprüche aus Kalendermonaten, in denen die Gehaltszahlungen nicht ausreichen, um den gesetzlichen Mindestlohn zu erfüllen, können daher mit Gehaltszahlungen in Kalendermonaten, in denen der Mindestlohnanspruch aufgrund der geringeren Anzahl an Arbeitstagen „übererfüllt“ wird, verrechnet werden. Eine solche Regelung ist praxisgerecht und daher ausdrücklich zu begrüßen. Nun stellt sich in der Praxis allerdings die Frage, ob bei einer solchen Jahresdurchschnittsbetrachtung nicht auch Einmalzahlungen des Arbeitsgebers, wie z.B. ein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, zu berücksichtigen sind, auch wenn diese nicht monatsanteilig, sondern als Einmalbetrag gezahlt werden. Wenn es auf den Jahresdurchschnitt ankommen soll, wäre es nach Ansicht des DStV konsequent, auch diese Einmalzahlungen auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen. Eine entsprechende gesetzliche Klarstellung wäre insoweit zu begrüßen. Bei einer solchen Jahresdurchschnittsbetrachtung wird sich aber im Weiteren auch die Frage nach der Kontrollpraxis durch die Zollbehörden stellen. Wenn beispielsweise ein Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Zollbehörden den Mindestlohnanspruch noch nicht erfüllt hat, müsste es ihm im Rahmen der Jahresdurchschnittsbetrachtung freistehen, zu argumentieren, dass er etwaige Unterschreitungen des Mindestlohns spätestens zum Schluss des Kalenderjahres ausgleichen wird. Insoweit wäre es nach Ansicht des DStV sinnvoll, die Kontrollpraxis der Zollbehörden stets auf zurückliegende und abgeschlossene Kalenderjahre zu beziehen. Für Fälle des unterjährigen Eintritts eines Arbeitnehmers wäre allerdings zu beachten, dass der kontrollfähige Zwölfmonatszeitraum ebenfalls entsprechend unterjährig abläuft. Des Weiteren sollte aus Sicht des DStV ebenfalls eine klarstellende gesetzliche Regelung zur Anrechenbarkeit weiterer sonstiger Leistungen auf den Mindestlohn erfolgen. Das Fehlen einer solchen Regelung führt derzeit zu einigen Unsicherheiten bei den Unternehmen, welche weiteren Entgeltbestandteile im Rahmen des Mindestlohns berücksichtigt werden können. Dies betrifft neben dem bereits genannten Weihnachts- und Urlaubsgeld beispielsweise auch den Bereich Verpflegung und Unterkunft sowie bestimmte Sachleistungen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts (BAG vom 16.04.2014, 4 AZR 802/11) sollte unseres Erachtens der dort genannte Aspekt der sog. funktionalen Gleichwertigkeit gesetzlich entsprechend verankert werden. Danach ist eine Anrechnung auf den Mindestentgeltanspruch möglich, soweit die vom Arbeitgeber angewandte Regelung etwa die Arbeitsleistung als besonders schwierig oder unter erschwerten Bedingungen geleistet ansieht, und dieser hierfür an den Arbeitnehmer einen gesondert ausgewiesenen Zuschlag zahlt. Eine abschließende Klärung sollte insoweit im Interesse der Betroffenen nicht erst durch eine erneute Anrufung der Gerichte erfolgen. 4. Auftraggeberhaftung Auf die bestehenden Unsicherheiten in der Praxis im Rahmen der Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG haben wir bereits hingewiesen. Aus der Praxis haben wir in diesem Zusammenhang zahlreiche Rückmeldungen über einen immer stärker ausufernden Bürokratieaufwand erhalten, da sich Generalunternehmer nunmehr von ihren Subunternehmern regelmäßig schriftlich bescheinigen lassen, dass diese den Mindestlohn zahlen. Zusätzlich werden zur Absicherung etwaiger Ansprüche in immer größerem Umfang entsprechende Bürgschaftserklärungen eingefordert. Des Weiteren erhalten Subunternehmer nunmehr Ergänzungen zu bestehenden Verträgen, in denen sie nicht nur zusichern sollen, dass sie und eventuelle weitere Auftragnehmer den Mindestlohn zahlen. Sie sollen dem Auftraggeber außerdem auch eine Überprüfung durch Bereitstellung aller Unterlagen erlauben, was bereits unter Datenschutzgesichtspunkten bedenklich erscheinen dürfte. Wir freuen uns, wenn wir mit unseren weiteren Überlegungen dazu beitragen konnten, Sie bei Ihren Untersuchungen zu einem möglichen praxisbezogenen Anpassungsbedarf im Bereich des Mindestlohns zu unterstützen. Mit freundlichen Grüßen gez. StB/WP Harald Elster

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