20.06.2018, Kategorie Archiv Europa

Notifizierung: Besser kein Beschlussrecht für die EU-Kommission – DStV und BStBK beziehen gemeinsam Stellung

Die Europäische Kommission hat am 10.1.2017 ihr sogenanntes Dienstleistungspaket veröffentlicht, welches unter anderem auch die Reform des Notifizierungsverfahrens für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen vorsieht (COM (2016) 821 final). Bei der Reform des Notifizierungsverfahrens soll der EU-Kommission danach ein Widerspruchsrecht gegen den Erlass neuer und die Änderung bestehender Berufsregulierungen der Mitgliedstaaten eingeräumt werden (Beschlussrecht). Der DStV hatte diese Verschärfung von Beginn an als unzulässig und nicht vereinbar mit der europäischen Kompetenzordnung beschrieben und konsequent abgelehnt (vgl. u.a. Eingabe E 07/17 vom 25.7.2017 und E 11/17 vom 13.11.2017). Diese Auffassung wurde auch in zahlreichen Gesprächen mit Abgeordneten des Europaparlaments und der EU-Kommission deutlich vermittelt (DStV beim Single Market Forum und DStV im Austausch mit der EU-Kommission). Zur Enttäuschung des DStV hatten Rat und Parlament in ihren generellen Ausrichtungen Ende 2017 der Verschärfung des Notifizierungsverfahrens und somit der Einführung eines Beschlussrechts für die EU-Kommission grundsätzlich zugestimmt (vgl. TB 114/17 vom 16.11.2017). In den gegenwärtigen sog. Trilogverhandlungen ist das Beschlussrecht aber erneut umstritten und Gegenstand der politischen Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und dem Rat, insbesondere forciert durch die deutsche und die französische Regierung. Diese hatten eine nochmalige Klärung der Vereinbarkeit des Beschlussrechts mit dem Primärrecht der EU durch den Juristischen Dienst des Rates verlangt. Das Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates wurde am 15.5.2018 an die Mitglieder des Rates versendet und lässt zumindest aufgrund widersprüchlicher Feststellungen die Rechtmäßigkeit eines Beschlussrechts anzweifeln. Es wirft außerdem elementare Fragen hinsichtlich der Rechtsfolgen eines verbindlichen Beschlusses auf, insbesondere in Bezug auf die Mitgliedstaatenrechte und den weiteren Rechtsweg. So hält das Gutachten ein Beschlussrecht der EU-Kommission grundsätzlich für europarechtskonform, spricht aber auch davon, dass im Fall von Streitigkeiten die EU-Kommission diejenige sei, die „auf das Vertragsverletzungsverfahren zurückgreifen (müsse), um eine Vertragsverletzung festzustellen und den Mitgliedstaat gegebenenfalls zu verpflichten, die Maßnahme aufzuheben“. In diesem Fall sei der Europäische Gerichtshof (EuGH) diejenige europäische Institution, welche die EU-Kommission ansprechen müsse. Laut Gutachten dürfe nur der EuGH über die Vereinbarkeit nationaler Normen mit Europarecht entscheiden. Vor dem Hintergrund des Gutachtens des Juristischen Dienstes des Rates haben der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) und die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) in einer gemeinsamen Stellungnahme nochmals an den Rat und das Europaparlament appelliert, die Einführung eines Beschlussrechts nicht weiter zu verfolgen (Eingabe E 12/18 vom 11.6.2018). Darin stellen DStV und BStBK fest, dass es grundsätzlich in den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten fällt, über die Reglementierung von Berufen zu entscheiden. Es ist mit der bestehenden Kompetenzordnung nicht vereinbar, der EU-Kommission ein Widerspruchsrecht beim Erlass neuer oder der Änderung bestehender Berufsregulierungen einzuräumen. Unweigerlich würde dies zu einer weitreichenden Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Mitgliedstaaten führen und so das Prinzip des Institutionellen Gleichgewichts in der EU ausgehebelt. Das geplante Beschlussrecht würde zu einer vorübergehenden de facto Gesetzgebungskompetenz gegenüber den Mitgliedstaaten führen. Außerdem betonen die beiden Spitzenorganisationen, dass ein Beschlussrecht, wie es das Gutachten beschreibt, keinen messbaren Mehrwert habe, da ein Beschluss dann dieselbe Rechtsfolge wie eine Empfehlung habe. Dies könne sogar dazu führen, dass die in den Verträgen vorgesehenen europäischen Rechtsakte insgesamt geschwächt bzw. inflationär behandelt werden. DStV und BStBK betonten daher nochmals, dass aus rechtssystematischer Hinsicht von einem Beschlussrecht abzusehen sei. Rechtsakte der EU-Kommission sollten vielmehr als Empfehlungen ausgestaltet werden. Damit würde Klarheit hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast geschaffen, eine Systemwidrigkeit in der Anwendung und Durchsetzung europäischer Rechtsakte vermieden und langfristigen Rechtsstreitigkeiten über Verfahrensfragen vorgebeugt. Die Rolle der EU-Kommission würde im Gegensatz zum bestehenden Notifizierungsverfahrens dennoch gestärkt, da die dem Mitgliedstaat übermittelte Empfehlung dem EuGH als Grundlage für eine Überprüfung der nationalen Norm in einem Vertragsverletzungsverfahren dienen kann. Stand: 20.6.2018


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