10.07.2018, Kategorie Archiv Europa

TAX 3: Ausschuss des Europaparlaments nimmt sich globale Konzerne vor

Der Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung (TAX 3) hat am 21.6.2018 eine öffentliche Anhörung genutzt, um mit Experten, Journalisten und Vertretern von den Unternehmen Nike und McDonalds in zwei Panels die Auswirkungen der Paradise Papers auf politische, rechtliche und unternehmerische Entscheidungen aufzuarbeiten. Zu Beginn der mündlichen Anhörung wies der Vorsitzende des Ausschusses, MdEP Petr Ježek (ALDE) darauf hin, dass Apple und die Kering Group trotz Einladung des TAX 3–Ausschuss nicht zur Anhörung erschienen seien. Auch hätten sich die in den Paradise Papern so prominent vertretenen Kanzleien – Appleby und Baker McKenzie – geweigert, an der Anhörung teilzunehmen. Dies sende ein klares Signal an das Europäische Parlament und die EU und deren Verständnis von Transparenz, die ein zentraler Wert eines jeden Unternehmens sein sollte. Im ersten Panel wurden Lucia Rossel Flores, Doktorandin und Forscherin im Rahmen des Projekts zu Bekämpfung von Finanzkriminalität (COFFERS) an der Utrecht Universität, Juliette Garside, zuständige Journalistin beim Guardian für die Paradise Papers und Achim Pross, Abteilungsleiter für internationale Zusammenarbeit und Steuerverwaltung bei der OECD von den Mitgliedern des TAX 3–Ausschuss zu den Schlupflöchern in der EU-Steuergesetzgebung befragt. Die Abgeordneten, angeführt von MdEP Lud?k Niedermayer (EVP) und MdEP Jeppe Kofod (S & D), waren besonders interessiert an der länderspezifischen Berichterstattung, der Gesetzgebung zur Bekämpfung von Klagen gegen Journalisten (SLAPP) und zum Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern). Auch wurde diskutiert, in welchem Zusammenhang der europäische Gesetzgeber die Transparenzanforderungen an Unternehmen verbessern könnte, um Steuervermeidung und Geldwäsche zu bekämpfen. Achim Pross räumte zwar ein, dass die Länder aufgrund von Steuervermeidung derzeit Steuereinnahmen in Höhe von geschätzt 240 Milliarden US-Dollar einbüßen, äußerte jedoch die Zuversicht, dass die gerade gestartete Länderberichterstattung „einen großen Unterschied“ bei der Verbesserung der Lage machen werde. Er sagte auch, dass Unternehmen nach den letzten Leaks durch die Paradise Papers zu einer „Verhaltensänderung“ gezwungen würden. Der Druck sei – auch und vornehmlich durch das Verhalten der Konsumenten – einfach zu groß. Die Forscherin Lucía Rossel Flores betonte, dass die Probleme der internationalen Steuervermeidung und Finanzkriminalität hausgemacht seien. Die Länder hätten auf der einen Seite die internationale Mobilität von Kapital gefördert, um so Investitionen zu steigern, auf der anderen Seite aber keinen Austausch zu internationalen Steuerpraktiken etabliert. Somit sei ein Ungleichgewicht in der Verteilung der Steuerlast entstanden, wobei vor allem Konzerne und Superreiche, welche die globalen Steuergestaltungsmöglichkeiten nutzen könnten, profitiert hätten. Die Paradise Papers hätten die Defizite erneut aufgezeigt und ermöglichen es den Gesetzgebern nachzubessern, um ein „Gleichgewicht in der Steuerlast wiederherzustellen“. Als Mitglied des Internationalen Journalistenkonsortiums forderte Juliette Garside die Mitglieder des TAX 3–Ausschusses auf, Journalisten, Berichterstatter und Hinweisgeber ausreichend zu schützen. Bisher sei dies auf politischer Ebene schlichtweg vernachlässigt worden. Dabei bemühte sich Garside, die Parlamentarier für eine EU-Anti-SLAPP-Gesetzgebung zu sensibilisieren. Bei sog. SLAPP-Verfahren werden Journalisten und Berichterstatter mit Klagen überzogen, wodurch diese eingeschüchtert und von der Berichterstattung abgebracht werden sollen. Die Abgeordneten zeigten sich offen, den gegenwärtig diskutierten Richtlinienentwurf zum Hinweisgeberschutz (Whistleblower-Richtlinie) um einen Schutz vor SLAPP-Klagen zu ergänzen. Im zweiten Panel standen Patricia Johnson, Vizepräsidentin und Leiterin der Steuerabteilung bei Nike Inc. und Irene Yates, Vizepräsidentin für Unternehmenssteuern bei McDonalds, den Mitgliedern des TAX 3–Ausschusses Rede und Antwort zu den Steuerpraktiken ihrer Unternehmen. Dabei nutzten die Abgeordneten die Anwesenheit der Vertreter von Nike und McDonalds, um Einblicke in die Haltung großer Konzerne zu Steuerfragen und Steuergestaltungen nach der Veröffentlichung der Paradise Papers zu erhalten. MdEP Niedermayer fragte zum Beispiel, in welchem Umfang die Unternehmen ihre Einstellung zur Transparenz im Steuerbereich aufgrund der Entwicklungen neu bewertet hätten. Weiterhin wollten Abgeordnete vor allem von Frau Yates wissen, ob die Änderungen in der europäischen Gesellschaftsstruktur von McDonald’s auf Steuergestaltungsmöglichkeiten innerhalb der EU zurückzuführen seien. So interessierte MdEP Peter Simon (S&D) und MdEP Dariusz Rosati (EVP), wie hoch die Steuersätze bei McDonald’s jeweils vor und nach der Änderung der Unternehmensstruktur gewesen seien. Yates und Johnson legten ausführlich dar, dass ihre Unternehmen dort Steuern zahlten, wo sie geschäftlich tätig sind und die „Regeln der Länder einhielten, in denen sie ihren Geschäftssitz haben“. Deutlich kürzer fielen die Antworten der beiden Vertreter bzgl. der Gründe für die letzten Änderungen der Unternehmensstruktur aus. Yates und Johnson betonten, dass Steuerfragen nicht die Geschäftsstrukturentscheidungen ihrer Unternehmen oder ihren Standort beeinflussen. Änderungen der Unternehmensstruktur sowie Verlagerungen der Firmensitze (Nike in die Niederlande, McDonald’s ins Vereinte Königreich) seien auf ökonomische Gründe zurückzuführen. Auf Nachfrage, wie die Konzerne zu einer Gemeinsamen (Konsolidierten) Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (G(K)KB) stehen würden, gaben Yates und Johnson zustimmende Positionen zu Protokoll. Die GKKB würde ihrer Ansicht nach zu einer Vereinfachung des „Steuerumfelds in Europa“ beitragen und so die Befolgungskosten für ihre Unternehmen deutlich reduzieren. Der TAX 3–Ausschuss ist ein Untersuchungsausschuss des Europaparlaments und setzt die Arbeit der Sonderausschüsse TAX 1, TAX 2 und des PANA-Ausschusses fort. Das Mandat wurde zunächst für ein Jahr erteilt. An der Anhörung nahmen DStI-Vizepräsident und DStV-Vorstandsmitglied StB Torsten Lüth und DStV-Europareferent, Dr. Jan Trommer, als Zuhörer teil. Stand: 10.7.2018


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