06.11.2015, Kategorie Archiv

Verbandstag 2015 des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln „Es ging um Werte“

Am 28.10.2015 fand in Köln der diesjährige Verbandstag des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln statt. Bereits in seiner Eröffnungsansprache ging der Präsident des Verbandes, StB/WP Harald Elster, auf grundlegende Werte demokratischer Gesellschaften ein, die – gerade in Zeiten des Umbruchs – als Orientierungsrahmen für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse herangezogen werden müssen. So führte Elster in Bezug auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik aus, dass christliche Werte erhalten und der Gefahr von rechts begegnet werden müsse, um den sozialen Frieden zu erhalten. Die Beachtung grundsätzlicher Werte sei aber auch zur Bewältigung anderer, rechtlich und technisch verursachter Veränderungsprozesse von Nöten. In diesem Zusammenhang ging Elster auf die Deregulierungstendenzen der Europäischen Kommission im Bereich der Freien Berufe ein. Vielfach verkenne die EU-Kommission die positive Bedeutung, die einer Regulierung mit Blick auf das Allgemeininteresse, z. B. die Funktionsfähigkeit der Steuerrechtspflege und den Verbraucherschutz, innewohne. In diesem Zusammenhang ging Elster u. a. auf das geltende Fremdbesitzverbot bei Berufsgesellschaften ein, welches die EU-Kommission zum Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich gemacht habe. In diesem Zusammenhang brachte er seine Überzeugung zum Ausdruck, dass das Fremdbesitzverbot ein unverzichtbarer Bestandteil zur Erhaltung der Unabhängigkeit der recht-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe darstellt. Auch die Steuerberatervergütungsverordnung schützte das Allgemeinwohl und müsse deshalb erhalten bleiben. Denkbar sei es allerdings, und dies werde gegenwärtig diskutiert, eine Möglichkeit zu schaffen, vom Vergütungsrahmen in Zukunft in bestimmten Fällen auch nach unten abweichen zu dürfen. Weiter vorstellbar sei, die Geltung der Steuerberatervergütungsverordnung auf Inlandssachverhalte zu beschränken, um diesbezüglichen Bedenken der EU-Kommission Rechnung zu tragen. Was es aber nicht geben dürfe, seien tiefe Einschnitte in die Steuerberatervergütungsverordnung oder gar eine Abschaffung derselben. Nicht zuletzt, um die Vorzüge derartiger Regulierungen auf europäischer Ebene zu verdeutlichen, habe sich der Deutsche Steuerberaterverband entschlossen, gemeinsam mit der Bundessteuerberaterkammer und den Steuerberaterkammern Frankreichs und Italiens eine neue europäische Organisation zu gründen, die ihre Arbeit im nächsten Jahr aufnehmen werde. Sodann ging Elster auf die aus seiner Sicht schleppenden Bemühungen zur Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien internationaler Konzerne ein. Auch hier gelte es, Werte zu beachten. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass derartige Steuervermeidungsstrategien die Folge unsystematischer nationaler Steuergesetze seien und dass deshalb die Politik aufgerufen sei, hier für Veränderungen zu sorgen. Dies könne nur in einem abgestimmten gesamteuropäischen Rahmen geschehen. Leittragende dieser Entwicklung dürften auch nicht die vielen unbescholtenen kleinen und mittleren Unternehmen sein, die an entsprechenden Vorgängen der Vergangenheit in keiner Weise beteiligt gewesen seien. In Bezug auf die geplante Reform der Erbschaftsteuer mahnte Elster dazu, dass sie nicht zu Lasten der großen Masse mittelständischer Unternehmen gehen dürfe. Um Werte gehe es letztlich auch bei der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, die nicht einseitig die Interessen und Bedürfnisse der Finanzverwaltung in den Vordergrund stellen dürfe, sondern auch die Belange der Steuerpflichtigen und ihrer Berater angemessen berücksichtigen müsse. Nicht hinnehmbar sei es z.B., im Zuge des geplanten Gesetzgebungsverfahrens die steuerstraf- und haftungsrechtlichen Risiken für Steuerpflichtige und Berater zu erhöhen. Kritisch sprach sich Elster auch zu dem geplanten Vorabanforderungsverfahren für Steuererklärungen aus. Auch die Grußredner des Verbandstages gingen in ihren Beiträgen auf übergeordnete Werte der Gesellschaft ein. So sprach der Landtagsabgeordnete Dipl.-Kfm. Ralf Witzel die freiheitsbeschränkende Wirkung übermäßiger Bürokratie an. – Der Präsident des Finanzgerichts Köln, Benno Scharpenberg, verwies auf derzeit sinkende Eingangszahlen bei den Finanzgerichten und regte an zu prüfen, ob dies auch mit dem „Durchwinken“ von Steuererklärungen bei Verwendung automatischer Risikomanagementsysteme oder einer mangelnden Verständigungsbereitschaft in Betriebsprüfungen und der damit einhergehenden Angst eingeschüchterter Steuerpflichtiger vor der Einleitung von Steuerstrafverfahren zu tun haben könnte. – Des Steuerabteilungsleiter des Finanzministeriums in Nordrhein-Westfalen, Herr MinDirig Dr. Steffen Neumann, legte dar, dass der Entwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens aus seiner Sicht Licht und Schatten enthalte. Auf der einen Seite treffe es zu, dass verstärkt Risikomanagementsysteme und Wirtschaftlichkeitserwägungen in das Besteuerungsverfahren Eingang fänden, auf der anderen Seite gebe es in dem Entwurf aber auch positive Regelungen, wie etwa eine gesetzliche Regelung über die Abgabefristen für Steuererklärungen. Letztere sei allerdings mit einigen Sonderregelungen, wie z. B. den Vorabanforderungen verbunden. Nordrhein-Westfalen halte dies nicht für den Königsweg, sondern präferiere das Kontingentierungsverfahren. Einig sah sich Neumann mit den Freien Berufen, was die kritische Haltung gegenüber den Liberalisierungstendenzen der EU-Kommission angeht. Er führte aus, die Finanzverwaltung stehe, was die Frage der Deregulierung angehe, an der Seite der Steuerberater, mit deren Arbeit sie durchweg gute Erfahrungen mache. – Der Präsident der Steuerberaterkammer Köln, StB Karl-Heinz Bonjean, lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Kammer und Verband in Köln und auf der Bundesebene. Auch er vertrat die Auffassung, dass die Deregulierungsbestrebungen der EU-Kommission zu weit gehen. Insofern müssten die Fakten klargerückt werden. Die Annahme der EU-Kommission, dass die Deregulierung zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen führe, sei zu bezweifeln. Gerade die Freien Berufe lieferten Wachstum und mehr Arbeitsplätze schon heute. Ausdrücklich begrüßte Bonjean das starke Engagement der Bundessteuerberaterkammer und des Deutschen Steuerberaterverbandes auf europäischer Ebene. Wer die Europa-Idee ernst nehme, müsse die Freien Berufe schützen. Bonjean ging auch auf die Forderung des Berufsstands ein, im Zusammenhang mit der Lohnbuchführung stärker auf sozialversicherungsrechtliche Fragen eingehen zu dürfen. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass 25 % der Lohnsteueranmeldungen in Deutschland von Steuerberatern erstellt werden, allein bei der DATEV seien dies monatlich über elf Millionen Lohnabrechnungen. Einen besonderen Höhepunkt der Veranstaltung bildete sodann ein Vortrag von Bundesverfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Paul Kirchhoff zum Thema „Die Europa-Idee als Orientierung in der Krise“. Darin legte Prof. Dr. Kirchhoff dar, dass sich viele Krisenerscheinungen nur durch die Rückbesinnung auf zentrale europäische Werte zurückdrängen lassen. Dazu zählten Freiheit, Sicherheit und Recht. Diese Werte seien zugleich auch Zielforderungen der Freien Berufe, insbesondere auch der Steuerberater. Für den Bereich des Steuerrechts sagte Prof. Dr. Kirchhoff eine dramatische Umbruchsituation in Folge der fortschreitenden Digitalisierung voraus. Wenn alles über das System laufe, besitze der Einzelne nur noch eine „formatierte“ Freiheit. Dessen müssten sich alle bewusst sein und darauf hinwirken, dass uns mit dem PC nicht das Fundament unseres Wirtschaftssystems und unserer Werteordnung abhanden kommt. Die Internationalisierung des Wirtschaftsgeschehens mache es erforderlich, die nationalen Steuergesetze besser aufeinander abzustimmen. Die Veränderungen der Arbeitswelt, die unter dem Stichwort Wirtschaft 4.0 diskutiert werden, hätten gesellschaftspolitisch neue Verteilungsfragen zur Folge. Hier werde es gelten, einen gerechten Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit beizubehalten. Kritisch setzte sich Prof. Dr. Kirchhoff auch mit der europäischen Währungspolitik auseinander. Gerade in kritischen Situationen müsse die Einhaltung des Rechts auch auf höchster Ebene oberstes Gebot sein. So boten alle Ansprachen zahlreiche Anregungen zur Reflektion in schwierigen und von Veränderung geprägten Zeiten. Aus den Reihen des DStV nahmen u. a. die Präsidentin des Steuerberaterverbandes Hamburg, StB/vBP Ute Mascher, sowie die Präsidenten der Steuerberaterverbände Rheinlandpfalz, StB/vBP Wolfgang Roth und Westfalen-Lippe, StB/WP Marcus Tuschen, an der Veranstaltung teil, außerdem der Ehrenpräsident des Landesverbandes der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern, RB/StB/WP Dr. Peter Küffner, zahlreiche Geschäftsführer von DStV-Mitgliedsverbänden, an ihrer Spitze DStV-Hauptgeschäftsführer RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke. Unter den Gästen waren des Weiteren die Kammerpräsidenten aller in Nordrhein-Westfalen beheimateten Steuerberaterkammern Stand: 04.11.2015


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