01.04.2020, Kategorie Archiv Europa

EU-Kommission erreicht Betriebstemperatur

Die EU-Kommission hat ihre Produktion an Berichten, Strategien und anderen Veröffentlichungen in den letzten Wochen deutlich hochgefahren. Diese geben einen Vorgeschmack auf die anstehende Gesetzgebung. Hier ein Überblick zu Digitalisierung und Berufsrecht. Strategie zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas Der Sprachpathos der EU-Kommission ist manchmal Geschmackssache. Etwa wenn sie, wie in der am 18.2.2020 veröffentlichen Strategie zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas, „das Optimum aus Innovation und Wettbewerb und die Fähigkeit Europas“ bemüht, „im digitalen Zeitalter seine eigenen Werte zu definieren, damit alle von der digitalen Dividende profitieren.“ Im Personalwesen bezeichnet man solche Publikationen gewöhnlich als Motivationsschreiben, im Marketing als Werbebroschüren. Dennoch bergen die blumigen Worte des Strategiepapiers ein ambitioniertes Programm, um künftig im globalen Digitalwettbewerb zu bestehen. Es geht um einen umfassenden Rechtsrahmen für Unternehmen im digitalen Wandel, der Gründung und Wachstum erleichtern und ausreichend Zugang zur Nutzung von Daten ermöglichen soll. Sozusagen die Schaffung eines Binnenmarkts für Daten. Es geht zudem um die Förderung und den Aufbau eigener Schlüsseltechnologien. Und um den erhofften Durchbruch bei den Verhandlungen der OECD bei den steuerlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Wirtschaft. Ein weiterer Teil der Digitalstrategie ist das Weißbuch der EU-Kommission zur Künstlichen Intelligenz, das am selben Tag veröffentlich wurde. Zusammengefasst werden die Förderung und Unterstützung von Investitionen in Einsatz, Forschung und Innovation, der Entwicklung von Kompetenzen durch KMU und Schlüsselelemente eines künftigen Rechtsrahmens. Wie bei Weißbüchern üblich, folgt auch diesem eine öffentliche Konsultation, an der sich auch der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) beteiligen will. Über Anregungen und Vorschläge zum Thema „Europäische KI“ bis Ende Mai freuen wir uns! Europäisches Semester 2020 – Das alte Lied der Überregulierung und die Mär vom Wirtschaftswachstum Am 26.2.2020 veröffentlichte die EU-Kommission ihre länderspezifischen Berichte im Rahmen des Europäischen Semesters. Wenig überraschend tadelte die Kommission im Länderbericht Deutschlands auch in diesem Jahr die „Überregulierung“ bei freiberuflichen Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfung. Die EU- Kommission drängt deshalb darauf, die Vorbehaltsaufgaben dieser Berufe abzubauen, da sie den Wettbewerb behindern und die Preise in die Höhe treiben. Dabei verweist sie auf Angaben der OECD. Danach würde im Falle einer Verringerung der Zugangsschranken für freiberufliche Dienstleistungen in einem Zeitraum von zehn Jahren ein Anstieg des Pro-Kopf-BIP um 2 % zu verzeichnen sein. Ungeachtet, dass eine solche Prognose wegen der Vielzahl an dynamischen Parametern pure Kaffeesatzleserei bedeutet, muss insbesondere die Frage erlaubt sein, wie diese Berechnungen wohl aussähen, wenn die Qualität von Beratungsdienstleistungen monetär definiert würde? Wenn die Sicherung von Staatseinnahmen, die reibungslose Kommunikation und die Gewährleistung von Qualität gegenüber Finanzbehörden und Finanzgerichten bewertet würden? Wäre es außerdem nicht recht und billig die Ausbildungsleistung und Bereitstellung von unbefristeten Arbeitsverhältnissen in der Prognose angemessen zu berücksichtigen? Diese Leistungen stellen für unsere Gesellschaft einen unschätzbaren Wert dar, der nicht in simple BIP-Kalkulationen gefasst werden kann. Leider singt in Zeiten von Tax Compliance die EU-Kommission noch immer das alte Lied von der Überregulierung und glaubt weiterhin an das Märchen von Wirtschaftswachstum durch Deregulierung. Aktionsplan für die bessere Durchsetzung von Binnenmarktregeln – Totgesagte leben länger Im September des vergangenen Jahres noch galt das Notifizierungsverfahren als Teil des sog. Dienstleistungspakets allgemeinhin als beerdigt. Zu groß schien der Widerwille der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission die Befugnis zu übertragen, einen verbindlichen Widerspruch gegen den Erlass von Berufsregulierungen der Mitgliedsaaten auszusprechen. Bisher ist die EU-Kommission im Falle von Verstößen auf den Rechtsweg in Form des Vertragsverletzungsverfahrens verwiesen. Sie kann klagen, vorverurteilen darf sie aber nicht. Das soll auch so bleiben. Im Aktionsplan für die bessere Durchsetzung von Binnenmarktregeln vom 10.3.2020 nimmt das Notifizierungsverfahren allerdings einen auffallend exponierten Platz ein. Tatsächlich werden Vertreter der EU-Institutionen bei einem Treffen Ende März Positionen zum Notifizierungsverfahren austauschen. Es bleibt also spannend. Wir setzen auf das Subsidiaritätsprinzip und sind gerne bereit bei der endgültigen Beisetzung des unnötigen Regelwerks die Urne zu spenden. Stand: 1.4.2020


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