11.06.2020, Kategorie Allgemein Archiv

#Hutab und #Chapeau: Die Gewinner der Krisenbewältigung

Mit ihrem Vorschlag eines Wiederaufbauplans könnte die EU-Kommission zum wichtigsten globalen Krisenmanager aufsteigen. Sie könnte sich vor allem aber politisch und finanziell stärken. Ein weiterer Gewinner wäre Emmanuel Macron, der sich durch eine Vergemeinschaftung von Schulden zur anerkannten Führungskraft für die finanzschwachen Südstaaten befördert. Mit der Initiative #Hutab #Steuerberatung honorieren die Steuerberaterverbände die außergewöhnlichen Leistungen von Steuerberaterinnen und Steuerberatern während der anhaltenden Wirtschaftskrise. #Hutab muss mittlerweile auch für die EU gelten, die als eine Gewinnerin aus der derzeitigen Krisensituation hervorgehen könnte. Dabei hatten zu Beginn des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie eigentlich die Nationalstaaten mit Grenzschließungen und nicht abgestimmten Alleingängen die Staatengemeinschaft blass aussehen lassen. Doch könnte mit dem neuen Vorschlag des Wiederaufbauplans, dem sog. Recovery Plan, der EU-Kommission ein echter „Coup“ gelingen und lang gehegte Begehrlichkeiten der Behörde plötzlich in greifbare Nähe rücken. Der „Coup“ fußt auf dem verführerischen Vorschlag, dass nicht allein die Mitgliedstaaten, sondern die EU selbst die Rückzahlung der Schulden mitfinanziert, die zur Umsetzung des Recovery Plans mit einem Budget von max. 750 Milliarden € aufgenommen werden. Zur eigenen Refinanzierung schlägt die EU-Kommission dazu die Erhöhung der Eigenmittelobergrenze und die Schaffung zusätzlicher Eigenmittel vor. Ein cleverer Schachzug der EU-Kommission, die bisher fast ausschließlich am finanziellen Tropf der Mitgliedstaaten hängt. Zusätzliche Eigenmittel könnten nach dem Vorschlag der EU-Kommission durch die Ausweitung des Emissionshandelssystems, die Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems, die Vereinbarung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsbemessungsgrundlage (GKKB) und die Einführung der Digitalsteuer für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen geschaffen werden. Genau darin aber liegt das Problem: All diese Maßnahmen, die zusätzliche Eigenmittel in die Kassen der EU spülen sollen, gibt es noch nicht. Die EU verkauft die Haut des Bären, der noch nicht erlegt ist; sprich: sie verplant Einnahmen aus Gesetzesvorhaben, von denen entweder noch nicht einmal ein Entwurf veröffentlicht ist oder, die von den Mitgliedstaaten bereits in der Vergangenheit abgelehnt wurden. Lassen sich die Mitgliedstaaten auf den Deal ein, so verlieren sie ihre politische Entscheidungsfreiheit diese Vorschläge später abzulehnen. Denn der finanzielle Druck, die Zeche des Recovery Plans im Zweifel selbst zahlen zu müssen, wäre geradezu übermächtig. Dabei dürfte etwa mancher Mitgliedstaat, zumindest im Falle des Scheiterns der derzeitigen OECD-Verhandlungen, mit der Einführung einer reinen EU-Digitalsteuer für Großunternehmen zu Recht hadern. Eine solche Digitalsteuer, die eigentlich die bisherige Körperschaftsteuer ablösen soll, könnte zur Finanzierung der Wirtschaftskrise außerdem schnell als zusätzliche Steuer herangezogen werden. Die EU-Kommission dagegen hätte gleich im doppelten Sinn gewonnen: durch die Erhöhung ihrer Eigenmittel und durch die Gewissheit wichtige und durchaus umstrittene politische Punkte ihrer Agenda umsetzen zu können. #Hutab (oder vielmehr: #Chapeau) auch vor Emanuel Macron und der französischen Regierung, die bisher in mehreren Anläufen als eine Art wirkungsloser ThinkTank mit ihren Ideen zur Reformierung der EU am kategorischen deutschen „Nein“ gescheitert waren. Mit dem Vorschlag zur Ausgabe von Anleihen durch die EU und damit der Vergemeinschaftung von Schulden hat sich Macron erstmals gegen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz durchgesetzt. Das dürfte dem in der Krise schwächelndem französischem Staatschef innenpolitisch Auftrieb geben. Eine Einigung mit den sparsamen Vier (Niederlande, Österreich, Finnland und Schweden) vorausgesetzt, würde damit der Streit zwischen dem Norden und dem Süden Europas zum ersten Mal zugunsten des finanzschwächeren Südens beigelegt. Ein Akt der Solidarität sicherlich, der an sich genauso erfreulich ist, wie die Tatsache, dass der seit Jahren stotternde deutsch-französische Motor der EU repariert scheint. Die Werkstattrechnung dafür könnte sich aber als überaus teuer erweisen. Stand: 11.06.2020


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