21.07.2020, Kategorie Archiv Steuerrecht

Temporäre Absenkung der Umsatzsteuer im Finanzausschuss kontrovers diskutiert

Mit dem 2. Corona-Steuerhilfegesetz kam die Absenkung der Umsatzsteuer in Windeseile. Das BMF versuchte, dem Verdruss aus der Praxis mit ersten Anhaltspunkten zu Übergangsfragen frühzeitig zu begegnen. Der Druck aus der Wirtschaft stieg dennoch. Der DStV warb im Hearing des Bundestags wenigstens für eine Schonfrist. Der Unmut fand Gehör. Schneller hat der Gesetzgeber eine so grundlegende Neuerung – wie die temporäre Absenkung der Umsatzsteuer – bisher nicht eingeführt. In weniger als vier Wochen erfolgte im Juni die Bekanntgabe der Konjunkturmaßnahme durch den Koalitionsausschuss, der Durchlauf des parlamentarischen Verfahrens und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Für die Praxis war es eine Mammutaufgabe, die Vorgabe technisch und organisatorisch bis zum 1.7. umzusetzen. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags führte am 22.6. eine öffentliche Anhörung zum 2. Corona-Steuerhilfegesetz durch. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD enthielt nicht nur die Reduzierung der Umsatzsteuer, sondern viele weitere Konjunkturimpulse, die der Wirtschaft in der Pandemie-Krise auf die Beine helfen sollten. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) gab als Sachverständiger in dem Hearing – wie in seiner Stellungnahme S 06/20 dargelegt – Anregungen, wie das beabsichtigte Ziel für KMU noch wirkungsvoller erreicht werden könnte. Generelle Ausnahme für den umsatzsteuerlichen B2B-Bereich? Einen Schwerpunkt der Anhörung bildete die Absenkung der Umsatzsteuer. Etliche Sachverständige der Wirtschaft, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag oder der Handelsverband Deutschland (HDE), brachten vor, dass sich die Unternehmen in Anbetracht der kurzen Umstellungszeit massiven administrativen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen würden. Die Anpassungen seien aufgrund der zahlreichen komplexen Sachverhalte nur unter großen Anstrengungen zu bewerkstelligen. Dazu zählten insbesondere Vertrags- und Rechnungsanpassungen, wie auch Anpassungen bereits erfolgter Vorauszahlungen, Anzahlungen und Abrechnungen von Dauerleistungen. Der HDE schlug zur Abmilderung des Umstellungsaufwands etwa eine Ausnahme für den B2B-Bereich vor: Unter bestimmten Voraussetzungen solle es bei Lieferungen zwischen dem 30.6. und dem 31.12.2020 nicht beanstandet werden, wenn ein zum Vorsteuerabzug berechtigtes Unternehmen eine zu hoch ausgewiesene Steuer in Höhe von 19 % oder 7 % zum Abzug brächte. Temporäre Schonfrist als kleine Lösung? Schon im Vorfeld der Anhörung zeichnete sich ab, dass der Gesetzgeber einer generellen B2B-Ausnahme etwa aus Gründen des EU-Rechts Skepsis entgegenbrachte. Der DStV unterstrich in dem Hearing, dass nicht nur der Umstellungsaufwand als solcher für die Steuerpflichtigen und deren steuerliche Berater eine bürokratische Herkulesaufgabe bedeute. Vielmehr belaste die Verfahrensbeteiligten auch der immense Zeitdruck, unter dem dies erfolgen müsse. So habe beispielsweise die DATEV angekündigt, dass die Updates für die Buchführungssoftware und die Rechnungsstellungsprogramme erst am 30.6. um 18.30 Uhr bereitgestellt werden könnten. So könnten kleine und mittlere Kanzleien es kaum gewährleisten, dass sie all ihre Mandanten fristgerecht unterstützen. Der DStV betonte, dass im Juli daher fehlerhafte Rechnungen mit einem zu hohen Steuerausweis unumgänglich seien. Soweit die leistenden Unternehmen in diesen Fällen von einer aufwendigen Rechnungskorrektur absehen und die zu hohe Steuer abführen würden, blieben die empfangenden Unternehmen auf der zu hohen Steuer als Kostenfaktor sitzen. Sie könnten qua Gesetz nur die gesetzlich geltende, geringere Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Diese Fehlsteuerung gelte es zu vermeiden, indem wenigstens für den Monat Juli ein Abzug der zu hoch ausgewiesenen Steuer – ohne den bürokratischen Weg der Rechnungskorrektur – eröffnet werde. So der DStV nachdrücklich in dem Hearing. Unterstützung der Praxis durch das BMF Das BMF versuchte derweil in bisher nicht erlebter Weise, den Unmut über die temporäre Absenkung der Umsatzsteuer und die Unsicherheit in der Praxis abzufedern: Mitte Juni veröffentlichte es den umfassenden Entwurf eines BMF-Schreibens – erstmals mit dem Hinweis, dass er noch nicht final mit den Ländern abgestimmt worden sei. So hatte die Praxis für viele Fallgestaltungen zwar erfreulicherweise erste Anhaltspunkte. Doch die von etlichen Praxisvertretern seit Anfang Juni gewünschte Schonfrist für den B2B-Bereich fand sich noch nicht in dem Papier. Erst der am Tag nach der Anhörung im Bundestag veröffentlichte, weiterentwickelte Entwurf der Verwaltungsanweisung brachte Erleichterung. Sie hielt sich bis zum final abgestimmten Schreiben von Bund und Länder vom 30.6.2020: Nach Randziffer 46 gilt eine Nichtbeanstandungsregelung für einen zu hohen Umsatzsteuerausweis in der Unternehmerkette im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.7.2020. Der DStV war in der Anhörung des Deutschen Bundestags von der Geschäftsführerin RAin/StBin Sylvia Mein vertreten. Stand: 21.7.2020 Lesen Sie hierzu auch: Drohendes Chaos durch Absenkung der Umsatzsteuersätze Mit steuerlichem „Wumms“ aus der Corona-Krise?


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