DStV zum KoaVertrag: Steuerfreiheit von Zuschlägen für Mehrarbeit

© Thomas Ecke

Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei stellen – das haben die Koalitionspartner angekündigt. Ziel ist es, mehr Menschen zu freiwilliger Mehrarbeit zu motivieren. Der DStV unterstützt das Ziel, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die konkrete Maßnahme sieht er aber kritisch.

Eine Idee - mit vielen offenen Fragen
Die Bundesregierung will Zuschläge für Mehrarbeit steuerfrei stellen. Die Regelung soll greifen, wenn Beschäftigte über die tariflich vereinbarte oder daran orientierte Vollzeitarbeit hinaus tätig sind. Als Vollzeit gelten mindestens 34 Wochenstunden bei Tarifbindung und 40 Stunden bei nicht tariflich geregelten Arbeitsverhältnissen. Die Maßnahme soll gemeinsam mit den Sozialpartnern ausgestaltet werden. Der DStV begrüßt zwar grundsätzlich den politischen Willen, zusätzliche Arbeit zu belohnen. Gleichzeitig stellen sich aber viele Fragen.

Steuerfreiheit widerspricht betrieblicher Praxis
In der Praxis werden Überstunden oft nicht vergütet, sondern durch Freizeit ausgeglichen. Auch Tarifverträge schreiben vor, dass Mehrarbeit auf Arbeitszeitkonten eingestellt wird. Solche Arbeitszeitkonten werden von vielen Beschäftigten und Unternehmen – unabhängig von Branche und Größe - genutzt. Damit erhalten sie zeitliche Flexibilität – auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Werden Zuschläge für Mehrarbeit steuerlich begünstigt, könnten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber unter Druck geraten, Überstunden sofort auszubezahlen. Das gefährdet den Bestand bewährter Arbeitszeitkonten. Das wäre darüber hinaus ein tiefer Eingriff in betriebliche Abläufe. Fehlen diese Überstunden, könnte es bei kurzfristigen Auftragsschwankungen auch deutlich schneller zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit kommen.

Steuerfreiheit kann zu Fehlanreizen führen
Ein weiteres Risiko: Tarifvertragsparteien könnten die Wochenarbeitszeit gezielt absenken – etwa auf 34 Stunden. Wer dann weiter 38 oder 40 Stunden arbeitet, könnte zusätzlich zum Entgelt abgabenfreie Zuschläge für die weiteren 4 bis 6 Stunden erhalten – ohne echte Mehrarbeit zu leisten. Auf diese Weise ließen sich Nettolöhne erhöhen, ohne das Arbeitsvolumen auszubauen. Das unterläuft das Ziel der Regelung.

Wettbewerbsnachteile vermeiden
In vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und den Freien Berufen gelten meist 40 Stunden pro Woche als reguläre Arbeitszeit. Für sie existieren in der Regel keine Tarifverträge. Die Grenze für begünstigte Mehrarbeit liegt damit bei ihnen höher als in tarifgebundenen Bereichen. Damit würden Beschäftigte dort seltener in den Genuss steuerfreier Zuschläge kommen. Dadurch entsteht ein deutlicher Wettbewerbsnachteil beim Halten und Gewinnen von Fachkräften.

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist darüber hinaus fraglich, ob die Maßnahme geeignet ist, Mehrarbeit wirksam anzureizen. Viele KMU dürften gegenwärtig finanziell kaum in der Lage sein, neben dem Überstundenentgelt zusätzlich steuerfreie Zuschläge zu zahlen. Soweit sich nur große Unternehmen Zuschläge für Mehrarbeit leisten können, verschärft sich der Wettbewerbsnachteil zu Lasten der KMU. Doch selbst in großen Unternehmen könnten Zuschläge aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf ausgewählte Beschäftigte begrenzt werden. Insofern erscheint die Steuerfreiheit der Zuschläge eher in wirtschaftlichen Aufschwungphasen ein wirksames Instrument zu sein.

Abgrenzung komplex– neue Bürokratie droht
Die geplante Regelung wirft grundlegende Anwendungsfragen auf: Wann beginnt eine Überstunde, für die zusätzlich zum Entgelt ein steuerfreier Zuschlag gezahlt werden kann? Ab der ersten Minute oder erst nach einer bestimmten Zeitgrenze? Müssen diese Überstunden angeordnet sein? Was gilt bei flexiblen Arbeitszeitmodellen oder bei mehreren Teilzeitjobs, die zusammen über 40 Stunden hinausgehen? Greift die Steuerfreiheit der Zuschläge auf das Entgelt für geleistete Überstunden auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH? Ohne klare Regeln drohen Rechtsunsicherheiten. Zugleich steigt der bürokratische Aufwand. Arbeitgeber müssten die Arbeitszeiten exakt dokumentieren. Gerade kleinere Unternehmen wären dadurch stark belastet.

Fazit
DStV-Präsident StB Torsten Lüth warnt: „Mehrarbeit steuerlich zu fördern, ist ein verständlicher Gedanke. Doch die Umsetzung erscheint in der Praxis kaum handhabbar. Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Mehrarbeit gefährdet flexible Arbeitszeitmodelle, erhöht den bürokratischen Aufwand und benachteiligt viele Arbeitgeber – insbesondere die Freien Berufe. Statt zusätzlicher bürokratischer Belastungen braucht es einfache und gerechte Lösungen, die tatsächlich zu mehr Arbeitsleistung führen.“

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