KI-gestütztes Ausgabenmanagement:
Strukturieren statt Stapeln

Ein Beitrag des Arbeitskreises Digitalstrategie des Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) in Zusammenarbeit mit Juliette Kronauer (Circula)

Manuelle Tätigkeiten trotz Digitalisierung?
Viele Steuerberatungskanzleien treiben die Digitalisierung aktiv voran. Cloud-Systeme, digitale Buchhaltungsprozesse und Schnittstellen zu Mandantensystemen sind heute Standard. Doch ein Bereich bleibt oft manuell: das Management von Reisekosten, Bewirtungsbelegen und sonstigen Ausgaben. Hier stoßen viele Kanzleien und deren Mandanten an operative Grenzen – obwohl längst Lösungen existieren, die diese Prozesse automatisiert, rechtssicher und mandantenfreundlich gestalten können.
Die bisherige Datenerfassung bindet Ressourcen und ist fehleranfällig. Fehlende Angaben oder unleserliche Belege führen zu Nachforderungen und manuelle Prüfprozesse belasten die Teams. Die KI erkennt solche Fehler schon beim Upload, signalisiert Unstimmigkeiten und macht strukturierte Vorschläge für Buchungskonten oder Freigaben.
Ein Bereich mit besonderem Potenzial: Die automatisierte Verarbeitung von Geschäftsausgaben und Reisekosten.
Moderne Systeme zur Belegverarbeitung leisten weit mehr als das Auslesen von PDF-Rechnungen: Sie prüfen automatisch, ob alle Pflichtangaben gemäß § 14 UStG vorhanden sind, validieren die formale Korrektheit, erkennen den richtigen Umsatzsteuersatz, kontieren vor oder fordern Freigaben ein. Auch Reiserichtlinien lassen sich hinterlegen, sodass beispielsweise Privatanteile oder Höchstgrenzen systemseitig erkannt und markiert werden. Erweitert um eine Zahlungslösung mit physischen oder virtuellen Kreditkarten können den Mitarbeitern Zahlungsmöglichkeiten unter voller Kontrolle und Überwachung des Unternehmens bereitgestellt werden. Es bietet sich durch die Möglichkeit der Freischaltung virtueller Karten auch die Möglichkeit an, diese nur für eine einmalige Zahlung zuzulassen. z. B. wenn ein Werkstudent eine Bestellung vornehmen soll, oder generell bestimmte Warengruppen zu sperren.
Fiktiver Use Case – Kanzlei Becker & Partner:
Früher: Freitagvormittag, kurz vor dem Zehnten: Der nette, aber ewig etwas zu späte Mandant hat mal wieder „noch schnell“ seine Belege eingereicht. Ob Ordner, kreative Schuhkartonablage oder digitale Einreichung – immer kommt er mit einer Vielzahl an Quittungen. Die Sachbearbeitung schiebt andere Aufgaben zur Seite, sortiert und tippt ab, der Mandant wird drei Mal angerufen, weil auf einer Rechnung die Steuernummer fehlt. Genau hier setzen automatisierte Systeme an.
Heute: Die mittelgroße Kanzlei aus NRW nutzt seit sechs Monaten ein KI-gestütztes Ausgabensystem. Mandanten senden Belege per App oder E-Mail an das Ausgabensystem. Bereits bei der Einreichung erfolgt eine Validierung – fehlende Steuernummern, fehlerhafte Summen oder nicht plausible Angaben werden erkannt und zurückgewiesen. Die Software schlägt automatisch passende Buchungskonten vor. Rückfragen an Mandanten sind um 70 % gesunken.
Zusätzlich wurden Genehmigungsworkflows etabliert: Belege bestimmter Höhe oder von bestimmten Ausgabenkategorien werden vor der Freigabe geprüft. Die Integration in bestehende Buchhaltungssysteme erfolgt automatisch – inklusive digitalem Originalbeleg und Buchungsvorschlag. Für viele Kanzleien bedeutet das: Routinetätigkeit wird reduziert, Qualität gesichert und Beratung ermöglicht.
Verantwortung & Wirtschaftlichkeit
Die Verantwortung verbleibt dabei selbstverständlich bei der steuerberatenden Person. Die Systeme dienen als Assistenzwerkzeuge, nicht als Entscheidungsträger. GoBD-Konformität, Datenschutz (Serverstandort Deutschland, DSGVO), Systemzertifizierungen wie IDW PS 880 – all das muss berücksichtigt werden. Mitarbeitende sollten geschult, Prozesse dokumentiert und Haftungsfragen geklärt sein.
Gerade für kleinere Kanzleien ist die Einführung von KI-Tools eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Hier empfehlen sich Pilotprojekte mit ausgewählten Mandanten. Die Erfahrungen zeigen: Die Einführung gelingt besser, je früher Kanzleien starten. Denn mit jedem Jahr wächst die Komplexität der Systeme – wer jetzt beginnt, lernt mit.
Ausblick – Best-Case 2028:
Ausgabensysteme arbeiten vorausschauend. Sie analysieren typische Fehlerquellen, schlagen Prozessverbesserungen vor und liefern Mandanten Feedback in Echtzeit. Steuerfachangestellte werden zu Prozessbegleiter:innen, die den digitalen Wandel aktiv gestalten. Die Beziehung zu den Mandant:innen wird gestärkt – durch Klarheit und Struktur.
Selbstreflexion
Gibt es in Ihrer Kanzlei heute noch manuelle Schritte bei der Prüfung von Ausgabenbelegen? Wenn ja – wie viel Potenzial für mehr Beratung und Effektivität in der Kommunikation steckt in deren Automatisierung?
Pilotkanzleien
Der Arbeitskreis Digitalstrategie im DStV begleitet diese Entwicklungen aktiv. In Abstimmung mit Softwareanbietern und Pilotkanzleien identifizieren wir praxisnahe Lösungen. Bei Interesse an Pilotprojekten oder Austauschformaten sprechen Sie uns gerne an.