02.12.2020, Kategorie Europa

Nachhaltige Unternehmensführung: Ein Fall für zwei

Die EU will verbindliche Regelungen zur nachhaltigen Unternehmensführung festschreiben. Dies dürfte bestehende Unternehmenskulturen wesentlich verändern. Zugleich werden gesetzliche Verpflichtungen zur Erstellung von Nachhaltigkeitsstrategien auf EU-Ebene zu einem erhöhten Beratungs- und Prüfungsbedarf führen. Ursprünglich stammt der Begriff Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass nur so viel Holz geschlagen werden soll, wie auch wieder nachwächst. Mittlerweile hat sich „nachhaltig“ jedoch als ubiquitärer Standard der Rechtssprache etabliert. Kaum ein Gesetz, das noch ohne Nachhaltigkeitserwähnung auskommt, um eine schonende Nutzung von Ressourcen anzumahnen. Im Rahmen des sog. europäischen „Green Deals“ soll Nachhaltigkeit nun auch verstärkt in die Unternehmensführung integriert und Unternehmen dazu angehalten werden, Entscheidungen hinsichtlich ihrer ökologischen, gesellschaftlichen, menschlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen sowie der längerfristigen Entwicklung des Unternehmen abzuwägen. Es müssen deshalb Fragen geklärt werden, wie die Aufgaben der Geschäftsleitungen und Unternehmensinteressen in Zukunft zu definieren und wie kurzfristige Gewinn- und Wertmaximierung mit einer strategischen Nachhaltigkeitsperspektive in Einklang zu bringen sind. Eine solche Diskussion kann von der Politik allenfalls angestoßen, sie muss aber mit den Unternehmen und insbesondere mit ihren Anteilseignern geführt werden. Bestandteil eines Rechtsrahmens der nachhaltigen Unternehmensführung soll auch eine Überprüfung der Richtlinie 2014/95/EU über die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen (NFRD) sein. Deren Anwendungsbereich dürfte auf andere Unternehmen ausgeweitet werden. Zudem dürfte die bisherige Praxis, nach der große Unternehmen verpflichtet sind, über ihre Sozial- und Umweltpolitik sowie Due-Diligence-Prozesse zu berichten oder andernfalls zu erklären, warum diese nicht vorhanden sind („Comply or explain“) durch eine Verpflichtung zum Handeln ersetzt werden. Derzeit verhandelt das EU-Parlament einen Initiativbericht zur Vorbereitung eines anstehenden Gesetzgebungsverfahrens. Dieser wird eine Aufforderung an die EU-Kommission beinhalten, einen Vorschlag für einen Rechtsrahmen für nachhaltige Unternehmensführung vorzustellen. Derweil hat die EU-Kommission bis zum 8.2.2021 zur Teilnahme an einer öffentlichen Konsultation über Fragen zur nachhaltigen Unternehmensführung aufgerufen. Im Anschluss muss die EU-Kommission die Gratwanderung schaffen einen Rechtsrahmen auszuarbeiten, der einerseits die unbestrittenen Vorteile einer nachhaltigeren Entwicklung, auch in Nicht-EU-Ländern, sichert. Andererseits darf die Einführung einer nachhaltigen Unternehmensführung die Chancen von europäischen Unternehmen im globalen Wettbewerb nicht zu stark beeinträchtigen. Zudem müssen nachteilige Lock-in-Effekte mangels geeigneter Lieferanten vermieden werden. Die Verabschiedung eines geeigneten Rechtsrahmens im Bereich nachhaltiger Unternehmen dürfte sich zu einem echten Fall für zwei entwickeln, weil mit einem erheblichen Nachfrageschub für die Leistungen der beratenden und der prüfenden Berufe zu rechnen ist. Denn Unternehmensleitungen werden Nachhaltigkeitsstrategien mit angemessenen Zielvorgaben entwickeln müssen und ausreichendes Fachwissen im Bereich Nachhaltigkeit benötigen. Zudem werden Kontrollgremien und Anteilseigner etwa neue Vergütungsvereinbarungen für ihre Unternehmensleitungen anfragen. Eine Revision der NFRD und eine Erweiterung ihres Anwendungsbereiches dürfte die Nachfrage an Prüfungsleistungen zudem ebenfalls erhöhen. Stand: 1.12.2020


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