10.12.2015, Kategorie Archiv Europa

Zukunft der freien Berufe in Europa: BFB-Symposium zu beruflichen Regeln

Angesichts der neuen Binnenmarktstrategie der EU-Kommission sowie der Vertragsverletzungsverfahren gegen die Vergütungsverordnungen der Steuerberater und der Architekten und Ingenieure in Deutschland wächst bei den Angehörigen der freien Berufe die Bereitschaft, ihre beruflichen Regelungen zu verteidigen. Der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) veranstaltete am 1.12.2015 in der Landesvertretung Sachsen-Anhalts in Berlin ein Symposium mit dem Thema: „Freie Berufe – Dienstleister und Partner für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland“, um die Vorzüge der deutschen Berufsgesetze zu verdeutlichen und mit Bundestagsabgeordneten und Vertretern der EU-Kommission zu diskutieren. BFB-Präsident StB/WP Dr. Horst Vinken stellte in seinem Eingangsstatement die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der freien Berufe in Deutschland heraus. Das funktionierende Regelungssystem garantiere beständiges Wachstum, Verbraucherschutz und Qualität. Das System von Berufskammern und Verbänden entlaste den Staat von etlichen Aufgaben. Würde, wie von der EU-Kommission gefordert, eine weitgehende Deregulierung der freien Berufe erfolgen, müsste der Staat in entsprechendem Ausmaß sein Aufgabengebiet erweitern. Der Verbraucher- und Patientenschutz käme bei den geplanten Deregulierungsmaßnahmen ebenfalls zu kurz. Daher müssten die Stärken der Freiberuflichkeit auf europäischer Ebene verdeutlicht und geeignete Rahmenbedingungen eingefordert werden. Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen für die freien Berufe in Europa zeigte Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, auf. Zur Realisierung des Binnenmarktes bestünden Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die aber zur Sicherung des Gemeinwohls eingeschränkt werden dürften. Er plädierte dafür, die Vorzüge und den Mehrwert der freien Berufe, insbesondere die Gemeinwohlorientierung stärker in die Bewertung dieser Einschränkungen miteinzubeziehen. Berufliche Regeln dürfen nicht ausschließlich anhand ökonomischer Kriterien beurteilt werden. Kritisch hinterfragt werden müsse auch die Behauptung der EU-Kommission, dass der Abbau beruflicher Regelungen Wirtschaftswachstum generiere. ? In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden Für und Wider der aktuellen Deregulierungsvorschläge der EU-Kommission erörtert. Martin Frohn, Leiter des Referats „Berufliche Qualifikationen und Fähigkeiten“ in der Europäischen Kommission, beteuerte, dass es der Kommission nicht um wahllose Deregulierung gehe, sondern die aktuellen Strategien und Konzepte den Dienstleistungsbinnenmarkt stimulieren sollen. Auf Seiten der Kommission und der Berufsangehörigen bestünden unterschiedliche Ansichten bezüglich der Rechtfertigung beruflicher Regulierungen und der Angemessenheit einzelner Maßnahmen. Man versuche jedoch, die Argumente nachzuvollziehen und den Kontext zu verstehen, in dem die Regeln wirken. So würden der Katalog der beruflichen Regulierungen und deren Bewertung unter den Mitgliedsstaaten weiter vorangetrieben. Ebenso wolle man von Seiten der EU-Kommission durch Darstellen etablierter Regelungen in anderen Mitgliedsstaaten ein besseres regulatorisches Umfeld schaffen. Die weiteren Podiumsteilnehmer, die Bundestagsabgeordneten Christian Flisek, SPD, und Heiko Schmelzle, CDU, sowie Hans-Ullrich Kammeyer, Präsident der Bundesingenieurkammer und Friedemann Schmidt, Präsident der ABDA argumentierten, dass die spezifischen Natur freiberuflicher Dienstleistungen heute und auch in Zukunft berufliche Regeln notwendig mache. Insbesondere die Informationsasymmetrie zwischen Erbringer und Empfänger der Dienstleistung würde ohne Berufsregeln zu einer Benachteiligung der Verbraucher führen. Die enorme wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Wachstums-, Angestellten- und Ausbildungszahlen dokumentierten die Funktionsfähigkeit des deutschen Systems. Dies beruhe maßgeblich auf dem hohen Qualitätsanspruch freiberuflicher Dienstleistungen. Daher sei eine einzig auf den Preis gerichtete Diskussion abzulehnen. RA Christian Flisek, MdB, betonte, dass die freien Berufe bereits heute schlank, modern und flexibel seien, aber sich ebenso laufend an aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen anpassten. Er warnte daher davor, Forderungen nach Deregulierung auf europäischer Ebene zur Ideologie zu erheben. Sein Parlamentskollege Heiko Schmelzle ergänzte, dass Deregulierung wichtige gesellschaftliche Errungenschaften gefährde: Sie fördere eine stärkere Marktkonzentration im Dienstleistungssektor. Dies wirke sich nicht nur auf die mittelständischen Strukturen aus, auch die flächendeckende Versorgung werde nicht aufrechterhalten werden können. Vor einer Gleichmacherei warnte auch Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, ABDA. Es müssten die gesellschaftlichen Entwicklungen und Anforderungen der einzelnen Staaten bei der Betrachtung von beruflichen Regulierungen und deren Nutzen in die Betrachtung einbezogen werden. In Deutschland bestehe ein hohes Vertrauen in die Qualität freiberuflicher Dienstleistungen, welches durch unbedachte Eingriffe Schaden nehmen könnte. Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidenten der Bundesarchitektenkammer, fasste die Ergebnisse der Veranstaltung zusammen: Die freien Berufe seien vorrangig den Verbrauchern und der Allgemeinheit verpflichtet. Dem in Deutschland gelebten präventiven Ansatz des Verbraucherschutzes sei Vorrang gegenüber kompensatorischer Schadensregulierung einzuräumen. Bei freiberuflichen Dienstleistungen werde letztlich nur Qualität zu nachhaltigem Wachstum führen. Hierfür müssten die Rahmenbedingungen in Europa geschaffen werden. An der Veranstaltung nahmen für den DStV dessen-Hauptgeschäftsführer RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke und Europareferent StB René Bittner teil. Stand: 9.12.2015


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