Generative KI in der Steuerberatung:
10 Thesen für einen Berufsstand im Wandel

© DStV

Die Steuerberatung steht vor einem tiefgreifenden Umbruch. Während generative KI in immer mehr Lebens- und Arbeitsbereiche vordringt, verändert sie auch das Fundament unserer Berufspraxis. Was bedeutet das für Kanzleien, Berufsträgerinnen und Berufsträger – heute und in Zukunft?

Der Arbeitskreis Digitalstrategie des DStV hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt. In einem gemeinsamen Prozess wurden zehn zentrale Thesen entwickelt, die beschreiben, wie generative KI das Berufsbild beeinflusst, welche Chancen und Risiken sich abzeichnen und welche Weichen jetzt gestellt werden müssen.

Klar ist: KI ist nicht nur ein technisches Tool – sie verändert Abläufe, Rollenverständnis und Wertschöpfung.

Wo Maschinen Standardaufgaben wie Buchhaltung, Reporting oder einfache Deklarationen übernehmen, gewinnen Beratung, kreative Gestaltung und strategische Einordnung an Bedeutung. Gleichzeitig braucht es ein neues Kompetenzverständnis: Neben steuerlichem und betriebswirtschaftlichem Know-how wird technologische Souveränität zur zentralen Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit.

Auch ethische Fragen, rechtliche Standards und die Verantwortung gegenüber Mandantinnen und Mandanten stehen im Fokus. Vertrauen, Transparenz und Empathie werden in einer KI-gestützten Steuerberatung nicht überflüssig – im Gegenteil: Sie werden zum entscheidenden Mehrwert.

Unsere 10 Thesen zur Rolle generativer KI in der Steuerberatung bieten Orientierung, Diskussionsstoff und konkrete Perspektiven. Sie sind ein Impuls für den Berufsstand – und eine Einladung, aktiv mitzugestalten.

1. KI verändert nicht nur unsere Arbeit – sie verändert, wer wir sind.
Steuerberatung wird zu einem hybriden Beruf: zwischen Recht, Technologie, Daten und Strategie. Unser Berufsbild wandelt sich fundamental – weg vom reinen Fachwissen, hin zu einem vernetzten Rollenverständnis.

2. KI automatisiert Standard.
Deklaration, Buchhaltung und Reporting werden zunehmend KI-gestützt. Wert entsteht dort, wo Individualität, kritische Prüfung, kreative steuerliche Gestaltung und strategische Beratung gefragt sind.

3. Wissen ist keine Macht mehr.
Reines Wissen verliert an Exklusivität. Der eigentliche Wert liegt in Kontext, Anwendung und Vertrauen. Entscheidend wird, wer Wissen sinnvoll auf Mandantensituationen übersetzen, einordnen und mit Empathie vermitteln kann.

4. Vertrauen wird zur härtesten Währung in der KI-gestützten Steuerberatung.
Je digitaler und automatisierter die Welt wird, desto zentraler wird der menschliche Faktor. Orientierung, Sicherheit und Verlässlichkeit machen den Unterschied im Verhältnis zu Mandanten.

5. Technologiekompetenz wird genauso wichtig wie Rechts- und BWL-Know-how.
Digitale Souveränität ist Pflicht: Wer KI nutzt, muss verstehen, wie sie funktioniert – von Prompt Engineering über Datenbewertung bis zur Bias-Erkennung.

6. Ausbildung und Prüfung müssen radikal neu gedacht werden.
Es braucht hybride Kompetenzen: steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Tiefe, kombiniert mit Methodenkompetenz, technologischem Verständnis und Kommunikationsfähigkeit.

7. Wertschöpfung verschiebt sich – aber sie wächst auch.
Wo Maschinen Routine übernehmen, entsteht Raum für höherwertige Beratung. Der Anteil eingekaufter Technologie steigt – der menschliche Beitrag wandert zu Strategie, Gestaltung und Beziehungspflege.

8. Der Markt wird zum Plattformmarkt.
Digitale Kanzleinetzwerke und Plattformen setzen klassische Kanzleistrukturen unter Druck. Wer nicht skaliert, verliert. Es braucht Investitionen in Technologie, Prozesse und neue Geschäftsmodelle.

9. Wirtschaftliche Unabhängigkeit entsteht durch technologische Souveränität.
Wer sich vollständig von externen KI-Anbietern abhängig macht, läuft Gefahr, Preise, Prozesse und Qualität nicht mehr selbst steuern zu können. Eigene Datenhoheit, Open-Source-Lösungen und Partnerschaften sind strategische Schlüssel für wirtschaftliche Resilienz.

10. Die Zukunft unseres Berufs ist nicht garantiert – sie muss gestaltet werden.
Der Berufsstand muss Standards, Ethik und Rahmenbedingungen aktiv mitgestalten. Wer nicht selbst definiert, wie KI genutzt wird, wird von Technologieanbietern und Marktmechanismen definiert. Deshalb gilt es, Impulse zu setzen, Netzwerke zu pflegen und aktiv Verantwortung zu übernehmen.

Generative KI ist keine ferne Vision – sie ist Realität.
Und sie verändert die Steuerberatung grundlegend. Wer heute die richtigen Fragen stellt, kann morgen die richtigen Entscheidungen treffen. Der Arbeitskreis Digitalstrategie lädt dazu ein, diesen Wandel aktiv zu gestalten – im Dialog, mit Haltung und mit Weitblick.

Die Thesen als übersichtliche Bildgrafik (auch zum Download) finden Sie hier.

© DStV

Das könnte Sie auch interessieren

  • 26.05.2025
    Das war der KI-Tools-Day! – Interview & Folien

    Am 21.5.2025 fand der KI-Tools-Day des Deutschen Steuerberaterverbands statt – eine digitale Veranstaltung, die sich ganz den praxisnahen KI-Lösungen für Steuerberatungskanzleien widmete. Über 500 Teilnehmende aus Kanzleien, Fachverlagen, Softwarehäusern und Institutionen waren dabei. Wir...

    Mehr lesen
  • 02.04.2024
    Kanzleien als Wegbereiter für KMU in der digitalen und nachhaltigen Transformation

    Die EFAA for SMEs hat ihr Manifest für die Europawahlen 2024 veröffentlicht. Sie betont, dass Kanzleien eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen und digitalen Transformation der europäischen KMU spielen können.   Im Juni dieses Jahres finden die Wahlen zum Europäischen Parlament...

    Mehr lesen
  • 07.02.2024
    Generative KI (genAI) im Blickpunkt des Arbeitskreises Digitalstrategie

    Der Workshop des Arbeitskreises Digitalstrategie mit Dain Studios beleuchtete die Auswirkungen von generativer KI auf die Steuerberatungsbranche. Insbesondere die Frage, in welchen Fällen KI-Anwendungen bereits heute Arbeitsabläufe in Kanzleien erleichtern, wurde diskutiert. Während des...

    Mehr lesen