09.01.2017, Kategorie Archiv Berufsrecht

Fachtagung der Universität Köln rückt Berufsrecht 2020 der Rechtsanwälte in den Fokus

Am 9.12.2016 fand eine Fachtagung des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln über die Herausforderungen für ein zukunftsorientiertes Berufsrecht der Rechtsanwälte statt. Unter der Überschrift „Berufsrecht 2020“ standen unter anderem Fragen zur Entwicklung des Sozietätsrechts und der interprofessionellen Berufsausübung auf der Tagesordnung. Dabei wurde auch ein Blick auf das Berufsrecht anderer freier Berufe geworfen. Der DStV war auf der Fachtagung durch seinen Referenten für Berufsrecht, RA Christian Michel, vertreten. Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting (Direktor des Kölner Instituts für Anwaltsrecht, Universität zu Köln) begrüßte als Tagungsleiter zu Beginn der Veranstaltung zunächst die neue Richterin des Bundesverfassungsgerichts Dr. Yvonne Ott. Sie ist im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts als Nachfolgerin von Prof. Dr. Reinhard Gaier unter anderem für das anwaltliche Berufsrecht zuständig. Dieses Rechtsgebiet – so Prütting weiter – sei ständig in Bewegung. Exemplarisch sei neben der Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte sowie der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) auch auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verweisen, welche den Weg für eine Kooperation von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft bereitet habe. Im Rahmen einer „kleinen Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)“ wolle der Gesetzgeber nunmehr eine konkretisierte Fortbildungspflicht für Rechtsanwälte normieren. Diskutiert werde außerdem über ein Berufsrecht für Insolvenzverwalter. Hier bleibe die weitere Entwicklung abzuwarten. Die Herausforderungen für ein zukunftsorientiertes anwaltliches Berufsrecht zeigte Prof. Dr. Matthias Kilian (Universität zu Köln, Direktor des Soldan Instituts) auf. Er stellte im Rahmen seiner Bestandsaufnahme fest, dass die BRAO im 19. Jahrhundert in Kraft getreten sei, d.h. zu einer Zeit, in der es in Deutschland nur wenige tausend Rechtsanwälte gegeben habe. Die BRAO nehme daher historisch bedingt vor allem den Berufsträger selbst in den Fokus, weniger die Form der Berufsausübung etwa in Sozietäten oder Rechtsanwaltsgesellschaften. Aus heutiger Sicht bestehe damit die zunehmende Gefahr, dass das Berufsrecht die Wirklichkeit des Rechtsdienstleistungsmarktes nicht mehr praxisgerecht abbildet. Vor diesem Hintergrund vermisse er auf nationaler Ebene ein konzeptionelles Nachdenken der Rechtspolitiker über das Berufsrecht. Es sei zu konstatieren, dass sich hierzulande im Gegensatz etwa zum angelsächsischen Raum das Anwaltsrecht vor allem durch die Rechtsprechung weiterentwickle. So seien in England und Wales durch Reformen die Zulassung von interprofessionellen Sozietäten sowie Kapitalbeteiligungen Berufsfremder längst möglich. Derzeit würden dort weitergehende Regulierungsmodelle diskutiert, die beispielsweise an die Kanzlei als Marktteilnehmer und nicht an den Berufsträger anknüpfen (sog. entity based regulation). Andere Modelle orientieren sich an möglichen Schadensrisiken (sog. risk based regulation) oder an der konkreten Dienstleistung (sog. regulation by activity). Ziel sei es, mit entsprechenden Reformen den Preiswettbewerb weiter zu fördern. Nach Ansicht von Prof. Kilian werde dies unweigerlich dazu führen, dass sich auch Deutschland in dieser Frage künftig positionieren müsse. Den Reformbedarf aus Sicht der Anwaltskanzleien verdeutlichte RA Dr. Dirk Uwer (Hengeler Mueller, Düsseldorf). Aus seiner Sicht sei vor allem ein Mangel bei der Partizipation der Berufsträger in der anwaltlichen Selbstverwaltung zu beklagen. Die Teilnahmequote auf den Kammerversammlungen betrage regelmäßig weniger als fünf Prozent. Damit bestehe die Gefahr, dass die mangelnde Beteiligung auch auf Ebene der Kammervorstände zu einem gewissen Stillstand führen könne, wenigsten sei das Risiko eines Machtverlusts durch Abwahl regelmäßig nur gering. Insbesondere das Präsenzerfordernis in Kammerversammlungen sei im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß und sollte seines Erachtens durch die Einführung anderer Beteiligungsformen, wie etwa einer Briefwahloption, modernisiert werden. Auch im Hinblick auf technische Neuerungen wie Cloud Computing und Legal Tech müsse das Berufsrecht der Rechtsanwälte angepasst werden. Die internationale Perspektive vermittelte RA Dr. Cord Brügmann (Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins und Präsident des International Institute Of Law Association Chief Executives (IILACE)) in seinem Vortrag. So habe etwa der US-Bundesstaat Washington den Beruf des sogenannten „kleinen Rechtsberaters“ (sog. Limited License Legal Technician) geschaffen. Er soll Verbrauchern die Inanspruchnahme einer rechtlichen Beratung ermöglichen, wenn ihnen die Beauftragung eines Rechtsanwalts aus finanziellen Gründen anderenfalls nicht möglich sei. Wünschenswert sei, auch in Deutschland den Bereich der sog. „unmet legal needs“ zu ermitteln und diejenigen Bereiche, in denen es keinen finanzierbaren Zugang zum Recht gebe, näher zu untersuchen. Auch die Entwicklungen im Bereich des Legal Tech zwängen den Berufsstand dazu, die Wirklichkeit mehr in den Blick zu nehmen. Unter Legal Tech sei die Anwendung von modernen bzw. digitalen Technologien bei der Rechtsberatung zu verstehen. Technologiebasierte Plattformen könnten damit nicht nur den Kontakt von Rechtsberatern und Rechtssuchenden oder die Suche nach Rechtstexten vereinfachen. Moderne Technologien könnten in Zukunft auch weiterentwickelt werden, um in Form von Vertragsgeneratoren oder interaktiven Formularsammlungen die Erstellung von Rechtstexten zu automatisieren. Festzustellen sei bereits heute, dass nicht nur gewerbliche Mandanten immer schneller und zielgerichteter beraten werden möchten. Auch der Verbraucher habe mittlerweile durch das Internet den Anspruch, Dienste jederzeit, umfassend, sofort und überall in Anspruch nehmen zu können. Vor diesem Hintergrund werde der Fokus im Berufsstand künftig noch stärker auf der Beachtung der Verbraucherinteressen liegen müssen. Prof. Dr. Wolfgang Ewer (Mitglied des Präsidiums des Deutschen Anwaltvereins) wies in seinem Vortrag darauf hin, dass nicht nur ein Vergleich der berufsrechtlichen Regelungen für Anwälte im Ausland große Unterschiede zeige. Auch die Berufsrechte der freien Berufe innerhalb Deutschlands böten ein durchaus heterogenes Bild und zeigten in bestimmten Punkten bisweilen starke Abweichungen voneinander. Festzustellen sei zwar, dass das Bedürfnis nach interprofessioneller Zusammenarbeit bei den freien Berufen insgesamt zunehme. Eine Vereinheitlichung der Berufsrechte sei vor diesem Hintergrund seines Erachtens aber nicht zielführend. Die Regelungen würden sich vor allem deshalb unterscheiden, weil ihnen unterschiedliche Funktionen zugrunde lägen. Für die Schaffung eines einheitlichen Berufsrechts – so Ewer – bestehe daher keinen Anlass. Den Aspekt der interprofessionellen Kooperation griff auch RA Peter Maxl (Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsprüferkammer) in seinem Vortrag auf. Eine diesbezügliche Harmonisierung der Berufsrechte und die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen wären aus seiner Sicht durchaus begrüßenswert. Wirtschaftsprüfergesellschaften seien nahezu ausschließlich interdisziplinär aufgestellt, die Wirtschaftsprüferordnung zeige hier im Vergleich zu anderen Berufsrechten durchaus liberalere Ansätze. Im Unterschied zu Steuerberatern und Rechtsanwälten bestünden allerdings strengere Regelungen im Bereich der Berufsaufsicht. So unterliege beispielsweise für Berufspflichtverletzungen, die im Zusammenhang mit der Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 319a Absatz 1 Satz 1 HGB stehen, die Berufsaufsicht nicht bei der Kammer. Zuständig sei vielmehr die neu gebildete Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Die Wirtschaftsprüferkammer betreibe außerdem ein System der Qualitätskontrolle, mit dem sicherstellt werden soll, dass die verpflichtend vorgeschriebenen Qualitätssicherungssysteme der Praxen einer regelmäßigen, präventiven Kontrolle unterliegen. Da sich gezeigt habe, dass diese Verfahren zu deutlichen Qualitätsverbesserungen führen, warb Maxl für eine Ausweitung des präventiven Ansatzes. Eine grundlegende Neuordnung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts forderte sodann Prof. Dr. Martin Henssler (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht, Köln). Das derzeitige System sei nicht praxisgerecht. Heute seien über 60% der Kanzleien als Sozietäten in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und rund 25% als Partnerschaftsgesellschaften organisiert. Gleichwohl seien die Regelungen etwa zur Sozietät antiquiert und bislang eher durch die Rechtsprechung fortentwickelt worden. Eine Überregulierung bestehe hingegen bei der Anwalts-GmbH, während das Gesetz zur Anwalts-AG und Limited Liability Partnership (LLP) schweige. Vor diesem Hintergrund forderte Henssler, das Personengesellschaftsrecht praxisgerecht zu modernisieren, und zugleich das Berufsrecht so zu ändern, dass künftig auch Anwaltsgesellschaften Kammermitglieder und damit eigenständige Träger von Berufspflichten sein können. Wie eine Zusammenarbeit mit anderen Berufen aussehen könnte, formulierten sodann RA Markus Hartung (Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins, Berlin) und Prof. Dr. Reinhard Singer (Direktor des Instituts für Anwaltsrecht der Humboldt-Universität, Berlin). Wichtig sei es, § 59a BRAO zeitgemäß auszugestalten. Hartung schlug hierzu vor, den Kreis der vereinbaren Berufe u.a. am Katalog der in § 203 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 StGB genannten Berufsgeheimnisträger zu bestimmen und auch weitere Berufe einzubeziehen, wenn durch die Zusammenarbeit nicht die Unabhängigkeit, Verschwiegenheit und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gefährdet sei. Auch Prof. Singer stand einer Erweiterung des Kreises der vereinbaren Berufe grundsätzlich positiv gegenüber, soweit es sich um Berufe mit einem vergleichbaren Schutzniveau wie bei den Rechtsanwälten handele. Insoweit sei nun der Gesetzgeber am Zuge, diese Überlegungen praxisgerecht umzusetzen. Betrachtet wurden auf der Tagung unter anderem auch Fragen zum Datenschutz und zu den Aufsichtsbefugnissen der Rechtsanwaltskammern. Mit Blick auf die im Jahr 2018 in Kraft tretende EU-Datenschutzgrundverordnung plädierte RA Prof. Niko Härting (Mitglied des Berufsrechtsausschuss sowie des Informationsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins) dafür, die dort geregelten Öffnungsklauseln zu nutzen und für den Berufsstand möglichst Regelungen auf nationaler Ebene zu treffen. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass die Anwaltschaft den Bereich des Datenschutzes nicht vollständig der Regulierung durch Berufsfremde überlässt. Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Gasteyer (Clifford Chance, Frankfurt) betonte, dass eine Regulierung stets auch im internationalen Wettbewerb stehe. Wünschenswert sei daher eine Regulierung, die international kompatibel sei und das EU-Recht beachte. So könne Wettbewerbsfähigkeit gefördert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte der Gesetzgeber allerdings nicht erst auf Druck der Rechtsprechung reagieren, sondern seine nationalen Regelungen permanent eigenständig auf ihre Erforderlichkeit überprüfen. RA und Notar Herbert Schons (Präsident der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf) untersuchte in seinem Vortrag die Frage, ob den Kammern zusätzliche Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten gegeben werden sollten. Er erläuterte, dass ihnen nach dem Willen des Gesetzgebers künftig auch die Möglichkeit offenstehen soll, die Erteilung einer Rüge mit einer Geldbuße zu verbinden. Dies sei zwar vielfach durchaus kritisch gesehen worden. Aus seiner Sicht sollte es der Gesetzgeber allerdings nicht dabei belassen, sondern die Befugnisse der Kammern künftig noch um die Instrumente der Verwarnung und des Verweises erweitern. Eine Verlagerung dieser Kompetenzen von den Anwaltsgerichten zu den Kammern würde eine Stärkung der Selbstverwaltung bedeuten, was aus seiner Sicht zu begrüßen sei. Einen möglichen Reformbedarf aus Sicht der anwaltsgerichtlichen Praxis formulierte schließlich Oberstaatsanwältin Imke Reelsen (Generalstaatsanwaltschaft Hamm). Den Maßstab müssen allerdings stets die Interessen der rechtsuchenden Bürger bilden. Eine Regulierung dürfe niemals allein um ihrer selbst willen erfolgen. Überlegungen für eine Verlagerung der Anwaltsgerichtsbarkeit auf die Verwaltungsgerichte, wie sie gelegentlich diskutiert worden seien, erteilte sie eine klare Absage. Die Schwachstellen des bestehenden Systems lägen weniger in der Zuständigkeit der Gerichtszweige, als vielmehr in den fehlenden Beteiligungs- und zu geringen Informationsrechten der Bürger im anwaltsgerichtlichen Verfahren. Wünschenswert sei eine Öffnung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens für die Öffentlichkeit. Aus Gründen der Transparenz – so Reelsen – sollten Mandanten, die sich über Rechtsanwälte beschwert haben, auch erfahren dürfen, was aus der Angelegenheit geworden sei. „Wer nicht gestaltet, der wird gestaltet.“ Dieses Fazit zog RA und Notar Ulrich Schellenberg (Präsident des DAV, Berlin) auf der abschließenden, von RA Prof. Dr. Bernd Hirtz (Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Instituts für Anwaltsrecht, Köln) geleiteten Podiumsdiskussion. Mit Blick auf die vorgestellten Reformvorschläge sollte vor allem die Frage der interdisziplinären Zusammenarbeit zügig in eine praxisgerechte Regelung umgesetzt werden. RAin Dr. Doris Geiersberger (Präsidentin des AGH Mecklenburg Vorpommern, Rostock) unterstützte in ihrem Statement ausdrücklich die Forderungen nach mehr Transparenz im anwaltsgerichtlichen Verfahren sowie in der anwaltlichen Selbstverwaltung. Aus Sicht von RA Dr. Ulrich Wessels (Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer) ist es positiv, dass die Rechtsanwaltskammern bei ihrer Arbeit verstärkt den Dienstleistungsgedanken in den Vordergrund stellen. Auch der Verbraucherschutz habe durch die Schaffung einer Schlichtungsstelle der Anwaltschaft einen hohen Stellenwert bekommen. Zur Stärkung der beruflichen Selbstverwaltung wünschte sich RAin Sirka Huber (Wirtschaftsmediatorin aus München) ein stärkeres berufspolitisches Engagement gerade der jungen Berufsangehörigen. In seinem Schlusswort stellte Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting sodann fest, die Referate und Diskussionen hätten deutlich aufgezeigt, dass die berufsrechtlichen Regelungen für Anwälte in vielen Bereichen nicht mehr die Wirklichkeit abbilden. An den Gesetzgeber gehe daher der Wunsch, das anwaltliche Berufsrecht praxisgerecht zu reformieren. Stand: 22.12.2016


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