13.11.2019, Kategorie Archiv

Rückführung des Solidaritätszuschlags: DStV als Sachverständiger bei öffentlicher Anhörung im Bundestag

Mit dem „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995“ will die Bundesregierung den Einstieg in den Ausstieg beim Solidaritätszuschlag einläuten. Bei der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf im Finanzausschuss des Bundestages war der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) als Sachverständiger vertreten. In der Anhörung zeigte sich, wie umstritten das Vorhaben unter Experten ist. Das Gesetz sieht vor, dass 90 % der Einkommensteuerzahler ab 2021 vom Solidaritätszuschlag entlastet werden. Hierfür sollen die Freigrenzen im Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 angehoben werden. Um Belastungssprünge nach Über- bzw. Unterschreiten der Freigrenzen zu vermeiden, ist außerdem eine sog. Milderungszone vorgesehen. Innerhalb dieser steigt die Belastung sukzessiv bis zum vollen Solidaritätszuschlag von 5,5 % an. Ob die Teilabschaffung in der von der Bundesregierung geplanten Form sinnvoll und verfassungsrechtlich zulässig ist, wurde in der diesbezüglichen öffentlichen Anhörung am 4.11.2019 intensiv diskutiert. Dabei ging es insbesondere um drei Aspekte: Solidaritätszuschlag bald ohne Rechtsgrundlage? Der DStV und weitere Sachverständige äußerten in der Anhörung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags ab 2020. Reiner Holznagel M.A., Präsident des Bunds der Steuerzahler, gab zu bedenken, dass der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe einer besonderen Legitimation bedürfe. Diese sei im Solidarpakt II zu sehen, der eine enge Verknüpfung zum Solidaritätszuschlag habe. Mit Auslaufen des Solidarpakts II entfalle diese Grundlage. Er plädierte vor diesem Hintergrund dafür, den Solidaritätszuschlag sofort vollständig abzubauen. Sofern sich die Politik nicht zu einer kompletten Abschaffung in einem Schritt durchringen könne, solle zumindest ein Datum für das vollständige Auslaufen des Solis in das Gesetz aufgenommen werden, so Holznagel. Der Bundesrechnungshof unterstrich ebenfalls das verfassungsrechtliche Risiko einer Fortführung des Solidaritätszuschlags über 2019 hinaus. Sollte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig erklären, sei es denkbar, dass das Gericht – wie bei der Kernbrennstoffsteuer – Rückzahlungen anordne. Einen schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags innerhalb der jetzigen Finanzplanungsperiode bis 2023 würde das BVerfG jedoch u. U. noch hinnehmen. Der Bundesrechnungshof empfahl deshalb aus finanzwirtschaftlichen und verfassungsrechtlichen Gründen einen schrittweisen Abbau des Solidaritätszuschlags von 25 % pro Jahr ab 2020. Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Risiken einer Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags sprach sich DStV-Präsident WP/StB Harald Elster dafür aus, den Solidaritätszuschlag sofort komplett abzuschaffen. Die stellv. Geschäftsführerin des DStV, RAin/StBin Sylvia Mein, wies ferner darauf hin, dass die jüngsten Steuerschätzungen Überschusse für den Bundeshaushalt 2019 und Folgejahre ergeben hätten. Insofern sei fraglich, ob ein Einnahmenbedarf des Bundes bestehe, der den Soli rechtfertige. Keine verfassungsrechtlichen Risiken dagegen sahen u. a. Prof. Jürgen Brandt, Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, sowie Prof. Dr. Henning Tappe (Universität Trier). Sparer bleiben auf der Strecke Bei Kapitalerträgen, die der Abgeltungsteuer unterliegen, soll der Solidaritätszuschlag für alle Steuerpflichtigen erhalten bleiben. Dieser Umstand stieß bei verschiedenen Sachverständigen auf Kritik. Dr. Isabel Klocke (Bund der Steuerzahler) wies u. a. darauf hin, dass es immer noch viele Sparer mit gut verzinslichen Geldanlagen gebe. Diese würden durch eine Nichtabschaffung des Solidaritätszuschlags in Abgeltungsteuerfällen benachteiligt. DStV-Präsident Elster betonte, dass kein sehr hohes Investitionskapital nötig sei, um den Sparer-Pauschbetrag auszuschöpfen. Bereits bei einer Anlage von 25.000 Euro und einer durchschnittlichen Rendite von 4 % seien die 801 € Pauschbetrag verbraucht und es falle Solidaritätszuschlag an. Elster warnte, dass man die Sparer so in die Veranlagung zwinge. Denn dort könnten sie vom geplanten Soli-Abbau profitieren. Es sei vor diesem Hintergrund mit einer Flut von Steuererklärungen zu rechnen. Die beste Lösung sei die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, so Elster. Thomas Eigenthaler, Präsident der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, bezeichnete die Regelung als „offene Flanke“ des Gesetzes. Wenn der Gesetzgeber das Problem auflösen wolle, ginge dies bspw. durch eine Veranlagung der entsprechenden Kapitalerträge – auch wenn die Finanzverwaltung hiervon nicht begeistert sei. Als „verwaltungsökonomische“ Lösung schlug er vor, den Solidaritätszuschlag in Abgeltungsteuerfällen komplett abzuschaffen bei gleichzeitiger Veranlagungspflicht für alle Steuerpflichtigen, die nach dem Gesetz nicht vom Solidaritätszuschlag entlastet werden (10 %). Kapitalgesellschaften gehen ebenfalls leer aus Dass Kapitalgesellschaften nicht vom Solidaritätszuschlag entlastet werden sollen, bot ebenfalls Anlass zur Diskussion. Brandt führte hierzu aus, dass bei der Erhebung der Einkommensteuer soziale Gesichtspunkte zulässig seien. Einkommensteuer und Körperschaftsteuer seien voneinander unabhängig. Rückschlüsse von der einen auf die andere Steuerart seien deshalb verfehlt. Mangels Vergleichbarkeit bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichteinbeziehung von Kapitalgesellschaften in die Abschmelzung des Solidaritätszuschlags, so Brandt. Elster wies darauf hin, dass Deutschland nach seiner Erfahrung bei internationalen Mandanten als Hochsteuerland gelte. Die Steuerbelastung durch den Solidaritätszuschlag betrage bei Kapitalgesellschaften zwar nur 0,825 %. Dennoch müsse Deutschland auf seine Wettbewerbsfähigkeit achten. Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags könne – eingebettet in eine umfassende Unternehmensteuerreform – eine positive Signalwirkung haben. Mein betonte, dass der Gesetzentwurf gegen das Prinzip der rechtsformneutralen Besteuerung verstoße. Mit Blick auf die aktuelle Steuerschätzung bestehe keine Haushaltsnotlage. Beides spreche dafür, zumindest Kapitalgesellschaften in den Gesetzentwurf einzubeziehen, sofern eine vollständige Soli-Abschaffung in der jetzigen Legislaturperiode politisch nicht möglich ist. Gesetzentwurf passiert Finanzausschuss Trotz erheblicher Bedenken der Praxis hat der Finanzausschuss des Bundestages dem Gesetzentwurf am 13.11.2019 zugestimmt. Hinsichtlich des zweiten Abbauschritts wollen die Koalitionsfraktionen nach einer Kurzmeldung des Bundestages „im Gespräch“ bleiben (vgl. hib – heute im bundestag Nr. 1269). An der Anhörung nahmen für den DStV der Präsident WP/StB Harald Elster, die stellv. Geschäftsführerin RAin/StBin Sylvia Mein sowie der Referent Denis Basta, M.A. teil. Stand: 13.11.2019


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