12.08.2021, Kategorie Steuerrecht

3 Fragen an MdB Fabio De Masi (Die Linken) – finanzpolitischer Sprecher

Ein Blick auf steuerpolitische Weichen vor der Bundestagswahl

 

Der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand hat sich im Rahmen der Krisenbewältigung der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für Wirtschaft und Politik erwiesen. Dafür nimmt er derzeit außerordentliche Belastungen in Kauf. Natürlich stellen sich viele Mitglieder die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht – welche steuerpolitischen Rahmenbedingungen für sie in der kommenden Legislaturperiode herrschen. Insbesondere fürchten viele zunehmende Bürokratie, die den Kanzleialltag weiter erschweren würde. Gern möchten wir Ihnen zu möglichen Be- bzw. Entlastungen 3 konkrete Fragen stellen:

 

Frage 1: Das Vorhaben zur Modernisierung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen und Einzelunternehmer hat die Politik bereits seit vielen Jahren auf dem Zettel. Erst jüngst sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für mittelständische Personengesellschaften und Familienunternehmen mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts verbessert werden. Problematisch hieran: Das mit dem Gesetz neu eingeführte sog. Optionsmodell ist allenfalls für große Gesellschaften mit deutlichem Thesaurierungspotential interessant. Wie wollen Sie künftig die besonderen Bedürfnisse des Mittelstands – dem „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ – stärker berücksichtigen und eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erreichen?

 

MdB Fabio De Masi:

Für die Investitionskraft von KMU sind gute Einkommen für die große Mehrzahl der Bevölkerung und massive Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand wichtig. So entsteht die Nachfrage, von der vor allem KMU profitieren.

Hierfür sieht der Einkommensteuertarif der LINKEN eine deutliche Anhebung des Grundfreibetrags (von derzeit 9.744 € auf 14.400 € pro Jahr) und eine Streckung des progressiven Bereichs vor. So greift der Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 70.000 € (gegenüber 57.918 € beim im Jahr 2021 geltenden Tarif), womit im Unterschied zum geltenden Tarif nicht bereits mittlere Einkommen unter den Spitzensteuersatz fallen. Als Faustregel gilt: Wer als Single weniger als 6.500 € Bruttoeinkommen im Monat hat, zahlt nach unserem Tarif weniger Steuern; wer mehr verdient, zahlt mehr. Damit würden auch viele Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer sowie Gesellschafterinnen und Gesellschafter von Personengesellschaften entlastet werden.

Die Obergrenze für die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern sollte von derzeit 800 € auf 1.000 € (jeweils ohne Umsatzsteuer) angehoben werden, um die Abschaffung der bürokratisch aufwendigen Sammelabschreibung zu ermöglichen.

Von den meisten Sonderregelungen und Steuersubventionen profitieren in allererster Linie große Konzerne. Daher sollten vor allem solche steuerlichen Sondertatbestände und Subventionen gestrichen werden, die es ertragreichen Unternehmen ermöglichen, ihre Gewinne künstlich klein zu rechnen. Wo steuerliche Subventionen politisch erforderlich sind, soll diese in eine direkte Förderung umgewandelt werden. Damit wird nicht nur eine Vereinfachung, sondern zugleich auch eine höhere Zielgenauigkeit bei der Förderung erreicht.

 

Frage 2: Die lange Dauer steuerlicher Außenprüfungen ist für viele Unternehmen und deren steuerliche Berater eine echte Belastung. Gerade KMU beklagen die langanhaltende Rechtsunsicherheit, die oftmals mit finanziellen Risiken und bürokratischem Aufwand zur Ermittlung der Sachverhalte einhergeht. Europäische Nachbarländer, wie Österreich oder die Niederlande, wirken dem bereits mit dem Konzept der begleitenden Kontrolle entgegen. Wie kann die steuerliche Außenprüfung, gerade für KMU, besser ausgestaltet werden?

 

MdB Fabio De Masi:

Ich teile die Einschätzung, dass die steuerlichen Außenprüfungen in Deutschland oftmals zu lange dauern. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen werden sie häufig nicht zeitnah durchgeführt. Die Ursache hierfür sehe ich insbesondere in einem Mangel an Betriebsprüferinnen und -prüfer. Hinzu kommen eine unzureichende IT‑Ausstattung der Finanzverwaltung und der erhebliche Rückstand bei Entwicklung und Einsatz einer bundeseinheitlichen Software für die Festsetzung und Erhebung der Steuern.

Ich setze mich daher für eine verbesserte Kooperation der Finanzbehörden von Bund und Ländern und die Aufstockung von (Personal-)Ressourcen in der Finanzverwaltung ein. Da die Zuständigkeit für den Steuervollzug größtenteils bei den Ländern liegt, sollen mittelfristig Anreize für einen besseren Steuervollzug in den Länderfinanzausgleich integriert werden.

 

Frage 3: Mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen treffen den Berufsstand zusätzliche Meldepflichten. Ziel der Pflicht soll sein, unliebsame Steuergestaltungen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Die Evaluation, ob die Anzeigepflicht den gewünschten Erfolg hat, ist noch offen. Dies dürfte erst eine gesamteuropäische Betrachtung zeigen können. Nichtsdestotrotz diskutieren einige politische Vertreter bereits jetzt eine ergänzende Mitteilungspflicht für nationale Gestaltungen. Dies dürfte zu einem signifikanten Mehraufwand, Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken für Steuerpflichtige und ihre Berater führen. Gerade kleine und mittlere Kanzleien fürchten die damit verbundene Bürokratie bei ohnehin knappen Personalressourcen und die Belastung des meist langjährig gewachsenen Mandatsverhältnisses. Wie stehen Sie zu dem Vorstoß, Anzeigepflichten für rein nationale Steuergestaltungen zu implementieren?

 

MdB Fabio De Masi:

Die Einführung einer Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen war eine überfällige Maßnahme. Nicht zuletzt die Enthüllungen der LuxLeaks, Panama Papers und Paradise Papers sowie die steuerlichen EU-Beihilfeverfahren haben gezeigt, wie eine Handvoll von sog. Intermediären aggressive Steuergestaltungsmodelle entwickelt und vermarktet.

Vor diesem Hintergrund befürworte ich eine Ausweitung der Mitteilungspflicht auf rein inländische Steuergestaltungsmodelle. Z. B. ist im Finanzsektor (Stichworte: Cum-Ex, Cum-Cum) oder bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer davon auszugehen, dass es rein nationale Gestaltungsmodelle gibt. Diese sollten in die Mitteilungspflicht einbezogen werden, auch weil dadurch mögliche Abgrenzungsprobleme und Ungleichbehandlung beseitigt werden.

Mehraufwand und Rechtsunsicherheiten für Steuerpflichtige sowie die beratenden Berufe könnten in erheblichem Maße durch die Einführung einer „white list“ verringert werden. Hierzu sollte das Bundesministerium der Finanzen in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder in einem im Bundessteuerblatt zu veröffentlichenden Schreiben festlegen, in welchen Fallgruppen kein unangemessener steuerlicher Vorteil und damit keine Mitteilungspflicht besteht.


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